MieterInnenverein Witten fordert lokale Maßnahmen für bezahlbaren Wohnraum

Auch in Witten stehen Mieterinnen und Mieter mit geringen und mittleren Einkommen zunehmend unter Druck. Die Mieten steigen und das Tempo der Steigerung wird voraussichtlich zunehmen. Verantwortlich dafür ist die Verknappung preisgünstiger Wohnungen, vor allem durch das Schwinden von Sozialwohnungen, die renditeorientierten Geschäftsmodelle privater Vermietungskonzerne und das lukrative Geschäft mit den Wohnungsmodernisierungen.

Nach aktuellen Angaben des  InWIS[1] ist davon auszugehen, dass ca. 40 % aller Wittener Haushalte ein Einkommen bis 2000 € haben. 24 % aller Wittener Haushalte verfügen nur über ein Einkommen unterhalb der „Armutsrisikogrenze“. Davon sind 6.800 Haushalte (13,5 %) auf Leistungen nach SGB II, SGB XII oder Asylbewerberleistungsgesetz (750 Haushalte) angewiesen.  Es muss erwartet werden, dass in den nächsten Jahren und Jahrzehnten vor allem die Zahl der Haushalte mit ergänzender Grundsicherung im Alter stark zunimmt. Es besteht also ein hoher und wahrscheinlich wachsender Bedarf an preisgünstigen Wohnungen, die möglichst auch seniorentauglich sind.

Dieser Bedarf kann schon deshalb nicht (allein) durch die Aktivierung des Leerstandes (der im Übrigen abnimmt) gedeckt werden, weil die Zahl der Haushalte zugenommen, das Angebot an preisgünstigen Wohnungen aber abgenommen hat. Die Zahl der Haushalte ist seit 2005 um mehr als 1.600 gestiegen. Die Zahl der Wohnungen hat im gleichen Zeitraum nur um 1.000  zugenommen

Darunter waren höchstens 225 Sozialwohnungen. Die Fertigstellungen günstiger Wohnungen halten mit dem Verlust in keiner Weise Schritt. Die Zahl der Sozialwohnungen ist durch Auslaufen der öffentlichen Bindungen seit 2006 um 41 % gesunken. Es gibt nur noch etwa 2500 öffentlich geförderte Wohnungen in Witten. Im Jahr 2030 werden es nach InWIS-Schätzungen nur noch 980 Wohnungen sein.

Vor diesem Hintergrund muss man sich nicht wundern, dass die Mieten steigen. Die Angebotsmieten der nicht von größeren Vermietern vermieteten Wohnungen stiegen laut Angaben des InWIS-Instituts seit 2011 in allen Preissegmenten um mehr als 10 %. Bei den größeren Vermietern ist zwischen einem Teil der lokalen Unternehmen zu unterscheiden, die trotz Investitionen nur zu relativ mäßigen Mieterhöhungen greifen, wie etwa die Wohnungsgenossenschaft Witten-Mitte, und renditeorientierten privaten Wohnungskonzernen wie LEG und Vonovia.

Die LEG versucht ständig die Mieten über den ortsüblichen Wert anzuheben. Sie hat dabei auch Erfolg, weil nur ein kleinerer Teil der MieterInnen ihre Rechte wahrnimmt. Der für Anfang 2018 angekündigte neue qualifizierte Mietspiegel wird diese Entwicklung wahrscheinlich abbilden. Er wird zwar die Erhöhungstricks der LEG beenden und besonders starke Erhöhungen beenden, zugleich aber wahrscheinlich Mieterhöhungen durch andere Vermieter erleichtern.  Von noch größerer Bedeutung aber ist die Welle angelaufener und geplanter Wohnungsmodernisierungen.

Nach geltendem Recht können Modernisierungen zu Mieterhöhungen von jährlich 11 % der Kosten führen. Angesichts der niedrigen Zinsen sind Modernisierungsinvestitionen für den Vermieter außerordentlich lukrativ, und zwar unabhängig davon, ob der Mieter einen Vorteil, z.B. geringere Heizkosten, hat.  Auch aufgrund eines hohen Nachholbedarfs ist Witten in den nächsten Jahren mit einem Schub  Modernisierungen zu rechnen. Meistens werden mit diesen Maßnahmen zugleich aufgelaufene Instandhaltungserfordernisse auf Kosten der MieterInnen abgearbeitet.

Die Modernisierungen führen bei Vonovia & Co. nach Erfahrungen des MieterInnenvereins  zu starken Mietsteigerungen von bis über 50 % führen und auch Erhöhungen der übrigen Mieten antreiben. Die Wohnungskonzerne Vonovia und LEG haben für das laufende und das kommende Jahr erhebliche Steigerungen ihrer  Modernisierungs-investitionen angekündigt. Moderniserungsmieten der Vonovia liegen um bis über 2 Euro pro Qudratmeter höher als die Mieten der Wohnungsgenossenschaft Witten-Mitte nach vergelichbaren Maßnahmen.  Es kann aber diese Genossenschaft und es kann auch nicht die kommunale Siedlungsgesellschaft alle Menschen aufnehmen, die in den zu modernisiereneden Wohnungen der Privatkonzerne leben. Vor allem in den Marktsegmenten der ehemaligen Sozialwohnungen mit relativ niedrigen Mieten sind hohe Mietsteigerungen zu erwarten. Große Teile der bislang noch günstigen Wohnungen könnten vom Markt verschwinden. Menschen mit niedrigen Einkommen und Sozialleistungen werden dann in ein immer kleiner werdendes Angebot preisgünstiger Wohnungen gedrängt, was auch bei nicht modernisierten Wohnungen zu Mietanhebungen führt.

Um auf diese Situation zu reagieren gibt es drei Möglichkeiten:

A. Schaffung von wesentlich mehr preisgünstigen Wohnungen. Der Mieterbund fordert hierzu vor allem eine Ausweitung der Wohnungsbaufördermittel auf Bundes- und Landesebene und die Schaffung einer neuen Wohnungsgemeinnützigkeit. Von der Stadt Witten erwarten wir die Erarbeitung eines Programms für die Schaffung sozialen Wohnraums, das dann auch umgesetzt wird.

B. Begrenzung des Mietenanstiegs im Wohnungsbestand. Der MieterInnenverein kann die Durchsetzung von Mieterhöhungen durch Rechtsberatung im Einzelfall oder durch Organisation der Mieter eines Wohngebietes oder eines Unternehmens  kontrollieren und erschweren, damit aber die Mietsteigerungstendez nicht aufhalten.  Der Gesetzgeber muss deshalb verbindliche Mietspiegel schaffen, die nicht nur erhöhte Mieten wiedergeben. Er sollte die Modernisierungserhöhungen abschaffen und eine flächendeckende, wirksame Mietpreisbremse für Wiedervermietungen einführen. Die Geschäftsmodelle der Vermietungskonzerne müssen und können gesondert reguliert werden. In diesem Sinne hat der Mietertag des DMB im Juni wichtige Forderungen beschlossen. In Witten können wir ansonsten im Wesentlichen nur an die hier tätigen Vermieter appellieren, ihre Modernisierungen sozial sensibel zu planen und auf besonders hohe Mietrenditen zu verzichten. Die Stadt kann diese Orientierung unterstützen.

C. Erhöhung der Einkommen durch Lohnsteigerung und Rentenerhöhungen, mehr sichere und ausreichend bezahlte Jobs, durch Wohngeld und durch Anhebung der Regelsätze für angemessenen Kosten der Unterkunft nach SGB II und SGB XII. Nur der letzte Punkt kann von der  Kommune (hier: dem Kreis) gestaltet werden. Wir fordern eine generelle Überprüfung der Regelsätze für die Kosten der Unterkunft in Witten und die Berücksichtigung eines Zuschlages für modernisierte Wohnungen, die den tatsächlichen Mietunterschieden gerecht wird.

[1] Institut für Wohnungswesen, Immobilienwirtschaft, Stadt- und Regionalentwicklung (inWIS), Bochum: Vortrag zum Handlungskonzept Wohnen für die Stadt Witten vom 18. Mai 2017

 

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