Modernisierungen in Witten sozialverträglich gestalten!

Der MieterInnenverein fordert die in Witten tätigen VermieterInnen und die Stadt zu Gesprächen über  eine „Wittener Charta für sozialverträgliche Wohnungserneuerung“ auf. Anlass dieses Vorstoßes ist die Befürchtung, dass es in  Folge zahlreicher geplanter Modernisierungen vor allem im Wohnungsbestand  der privaten Wohnungskonzerne zu starken Mieterhöhungen kommen wird. Gemeinnützige lokale Wohnungsunternahmen wie die Genossenschaft Witten Mitte zeigen, dass Modernisierungen auch dann wirtschaftlich sein können, wenn die Mieterhöhungen weit unter dem bei Vonovia und LEG üblichen Maß bleiben.

Wohnungsmodernisierungen sind einerseits für den Klimaschutz und den altersgerechten Umbau der Wohnungen  erforderlich. Andererseits können sie aufgrund der Möglichkeiten des § 559 BGB zu starken Mieterhöhungen führen. Bei einigen Privatvermietern in Witten kommt es in der letzten Zeit  zu sehr starken Mieterhöhungen in Folge von Modernisierungen.  Dazu zählen vor allem die großen Konzernen LEG und Vonovia mit ihren vielen ehemaligen Werks- und Sozialwohnungen im eher preisgünstigen Segment. Die Quadratmetermieten nach Standardmodernisierungen erreichen zum Beispiel an der Westfeldstraße (Vonovia) die 8-Euro-Marke. Das ist für Wittener Verhältnisse eine hohe Miete.

Aber weitem nicht alle Vermieter nutzen die rechtlichen Erhöhungsmöglichkeiten in vollem Umfang aus. Lokale gemeinnützige Unternehmen zeigen seit langem, dass auch ohne Mieterverdrängung und hohe Wohnkostenbelastungen  die Wohnungen in einem zeitgemäßen und gepflegten Zustand erhalten werden können. Ein Beispiel ist die Wohnungsgenossenschaft Witten-Mitte. An der Hermannstraße hat sie Balkone angebaut, die Dächer erneuert, Fassaden gedämmt, Haustüren und teilweise und die Fenster erneuert. „Abhängig davon, ob das Bad neu oder alt ist, haben wir die Miethöhe bei  5,60€/m² bzw. 5,90€/m² festgelegt“, berichtet Geschäftsführer Nolte. „Die Bewohner waren alle hiermit einverstanden. Bei einigen Wohnungen, bei denen die Mieten seit vielen Jahren nicht angepasst wurden haben wir intern vereinbart, dass eine Mieterhöhung monatlich maximal 35,00€ betragen darf. Außerdem versuchen wir immer unter den Werten des ‚aktuellen‘ Mietspiegels zu landen.“ Nun sind auch die von der Genossenschaft Witten-Mitte verlangten Mieterhöhungen von bis über 50 Euro sicherlich nicht für alle Mieter aufzubringen. Auch Mieten von 5,90 €/qm liegen deutlich über dem, was sich zum Beispiel ein Langzeitarbeitsloser leisten kann oder darf. Auch hier gibt es Gesprächsbedarf. Aber trotzdem: Der Abstand der Mieten zu vergleichbaren Maßnahmen der Vonovia beträgt zwei Euro pro Quadratmeter! Die Genossenschaft, die ja auch Dividenden an ihre Mitglieder auszahlt, kann bietet vergleichbare Wohnungen in diesem Fall  um 22 % günstiger an als die Konkurrenz! Das ist der Unterschied zwischen „solide“ und „profitversessen.“  

Die Wohnungskonzerne Vonovia und LEG haben für das laufende und das kommende Jahr erhebliche Steigerungen ihrer  Modernisierungsinvestitionen angekündigt, so dass weitere Mieterhöhungswellen zu befürchten sind. Große Teile der bislang noch günstigen Wohnungen könnten ganz  vom Markt verschwinden. Menschen mit niedrigen Einkommen werden dann in ein immer kleiner werdendes Angebot preisgünstiger Wohnungen gedrängt, was auch bei nicht modernisierten Wohnungen zu Mietanhebungen führt. In der Folge werden auch massive öffentliche Mehrausgaben für die Kosten der Unterkunft unvermeidlich.

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Nach Beratungen bei seiner Jahreshauptversammlung am 6. Juni 2017 fordert der MieterInnenverein Witten die in Witten tätigen Wohnungsvermieter deshalb auf, sich bei Ihren Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen sowie die damit begründeten Mietererhöhungen an Standards zu halten, die die erforderlichen Qualitäten ohne finanzielle Überlastung der MieterInnen  sichern.

Dazu hat der MieterInneverein Witten die folgenden Vorschläge erarbeitet. Sie könnten  Bestandteil einer denkbaren  „Wittener Charta für sozialverträgliche Wohnungserneuerung“ werden  und als Selbstverpflichtung von allen Beteiligten vereinbart werden.

 

Vorschläge für eine „Wittener Charta für sozialverträgliche Wohnungserneuerung“

Planung und Erörterung mit den Mieterinnen und Mietern

(1) In Witten tätige Vermieter sollten VOR Versand der Modernisierungsankündigungen mit den betroffenen MieterInnen erörtern, welche Maßnahmen von den MieterInnen benötigt werden und erwünscht sind und welche Maßnahmen aufgrund der zu erwartenden Mieterhöhungen zu nicht tragfähigen Kosten oder Verdrängungen führen. Bei größeren Maßnahmen sollen Mieterversammlungen durchgeführt werden, zu denen auch der MieterInnenverein Witten eingeladen wird.

(2) Bei der Erörterung der Planungen sollen die Vermieter den MieterInnen mögliche Alternativen einer Modernisierung und die sich daraus wahrscheinlich ergeben Mieterhöhungen und Energiekostenersparnisse vorstellen. Dabei soll dargelegt werden, wie der Instandhaltungsbedarf eingeschätzt wird und wie dessen Kosten in Abzug gebracht werden. Werden kombinierte Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen geplant, sollen  die Vermieter stets auch die Alternative einer reinen Erhaltungsmaßnahme darstellen.

(3) Die Beseitigung von Mängeln und ihren Ursachen, sowie der zeitgemäße Ersatz von zerschlissenen oder in absehbare Zeit erneuerungsbedürftigen Bauteilen (Erhaltung) hat Vorrang vor Modernisierungen und darf nicht zu Mieterhöhungen führen.

(4) Bei der Planung von energetischen Modernisierungen sollen die Vermieter solchen Maßnahmen den Vorzug geben, bei denen das Verhältnis von Mieterhöhung zu Energiekostenersparnis günstig ist (z.B. Dämmung der Kellerdecke, für Mieter wirtschaftliche Verbesserungen ineffizienter Heizungsanlagen).

(5) Die Vermieter sollen auf nicht-energetische Maßnahmen verzichten, wenn diese zu erheblichen Mieterhöhungen führen (z.B. Balkonanbau oder Balkonerweiterung) und wenn die Mehrheit der betroffenen Mieterinnen und Mieter diesen Maßnahmen widerspricht.

(6) Wenn Modernisierungsmaßnahmen voraussichtlich zu Bruttomieten führen, die mehr als 30 % der verfügbaren Haushaltseinkommen der MieterInnen ausmachen, sollen die Vermieter entweder die Mieten von vornherein auf 30 % der Einkommen der jeweils betroffenen Haushalte deckeln oder auf die Durchführung der Maßnahmen verzichten.

(7) Energetische Modernisierungen sollen nur dann durchgeführt werden, wenn die Grundmietenerhöhung in einem  wirtschaftlichen Verhältnis zu den erwarteten Energieeinsparungen steht.

 

Ankündigung und Durchführung

(8) In der schriftlichen Ankündigung der Maßnahmen sollen

  • die Ergebnisse der Erörterung mit den MieterInnen dargestellt und abgewogen,
  • die einzelnen Maßnahmen und ihr voraussichtlichen Kosten nachvollziehbar dargestellt,
  • der Erhaltungsaufwand der Einzelmaßnahmen nachvollziehbar ermittelt und begründet,
  • die voraussichtliche Einsparung an Energiekosten nachvollziehbar dargelegt,
  • die voraussichtliche Mieterhöhung begründet,
  • die Möglichkeit eines Härteeinwandes erklärt,
  • die Dauer der Bauarbeiten und die voraussichtliche Belastung dargelegt,
  • ein Ausgleich für Härten während der Bauarbeiten angeboten,
  • Ersatzwohnungen angeboten,
  • Gelegenheit zur Klärung offener Fragen eingeräumt werden und
  • ein Ansprechpartner während der Arbeiten benannt werden.

(9) Arbeiten sollen so geplant und durchgeführt werden, dass sie zu möglichst geringen Belastungen führen. So ist zum Beispiel auf in der Heizperiode auf Maßnahmen zu verzichten, die zu Einschränkungen der Beheizbarkeit führen, und in den Sommermonaten sollten keine Maßnahmen erfolgen, die die Nutzbarkeit der Balkone einschränken.

 

Mieterhöhungen nach Modernisierung

(10) In der Mieterhöhungserklärung sollen die durchgeführten einzelnen Maßnahmen und ihre tatsächlichen Kosten nach Gewerken nachvollziehbar dargestellt, der Erhaltungsaufwand für die einzelnen Bauteile nachvollziehbar abgezogen und daraus die rechtlich mögliche Mieterhöhung ermittelt werden. Auf Anfrage erhalten die MieterInnen Kopien für den Beleg der Baukosten und des Erhaltungsaufwandes.

(11) Die tatsächlich verlangte Mieterhöhung sollte die soziale Situation des/der jeweiligen MieterIn berücksichtigen. Wurde bereits ein Härteantrag gestellt, sollte über diesen entschieden, ansonsten auf die Möglichkeit eines Härteeinwandes verwiesen werden.  Die Bruttomiete wird auf maximal 30 % des verfügbaren Haushaltseinkommens gedeckelt.

 

 

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