Koalitionsvertrag in NRW: Angriff auf die Interessen der MieterInnen

Zu den wohnungspolitischen Inhalten des am Freitag, 16. Juni 2017,  veröffentlichten schwarz-gelben Koalitionsvertrages für NRW erklärt Mieterforum Ruhr: Mit ihrem Koalitionsvertrag setzten CDU und FDP ungebrochen den fatalen wohnungspolitischen Kurs der letzten schwarz-gelben Regierungskoalition unter Jürgen Rüttgers (2005-2010) fort. Aus den Folgen von dessen Privatisierungspolitik, die unter anderem der landeseigenen Wohnungen der LEG an Finanzinvestoren auslieferte, haben die Koalitionäre nichts gelernt. „Schwarz-Gelb 2.0“ will alle Fortschritte zum Schutz der Mieter, die in den letzten Jahren erreicht wurden, abschaffen.

Unter anderem plant die neue Landesregierung:

1. Mieten rauf

Die in den letzten Jahren neu geschaffenen Landesverordnungen zur Begrenzung der immer dramatischeren Mietenexplosion sollen gestrichen werden.

Dazu zählt die Kappungsgrenzenverordnung, die für einige Gebiete die maximal zulässige Mieterhöhung im laufenden Mietverhältnis – insofern der Mietspiegel dies zulassen würde – von 20 % auf 15 % in drei Jahren absenkt. Besonders absurd: Die Rechtsgrundlage für diese Verordnung wurde 2013 noch von der alten schwarz-gelben Bundesregierung geschaffen. Die Regierung Laschet droht in Sachen Mieterschutz noch hinter die Politik der eignen Parteien zurückzufallen. In den betroffenen Gebieten drohen nach Abschaffung noch höhere Bestandmietenerhöhungen.

Zum anderen geht es um die Mietpreisbegrenzungsverordnung, die in einigen Gebieten des Landes die Neuvermietungsmieten auf zehn Prozent der ortsüblichen Vergleichsmiete deckeln sollte. Diese „Mietpreisbremse“ hat wegen der von der CDU im Bund durchgesetzten zahlreichen Ausnahmen nur wenig Wirkung entfaltet. Anstatt auf die Streichung dieser Ausnahmen hinzuwirken, wollen CDU-FDP nun ganzen Ansatz canceln. Auch das wird renditeorientierte Vermieter zu weiteren Mietsteigerungen motivieren.

Die Regierungskoalition plant das genaue Gegenteil von dem, was angesichts des Schwundes an preiswerten Wohnungen und den horrenden Mietensteigerungen in den Metropolen erforderlich wäre: Eine wirksame flächendeckende Begrenzung des Mietpreisanstiegs im laufenden Mietervertrag und bei Vertragsabschluss, eine Stärkung der Mietspiegel, sowie eine Streichung der extremen und durch nichts gerechtfertigten Mieterhöhungsmöglichkeiten nach Modernisierung.

2. Mehr Wohnungseigentum statt Sozialwohnungen

Obwohl der größte Mangel bei den preiswerten Mietwohnungsangeboten in den Großstädten herrscht, setzt die neue Landesregierung ganz auf die Schaffung von mehr Eigentum.

Zu diesem Zweck will sie die Wohnungsbaufördermittel zu Gunsten der Förderung des selbstgenutzten Eigentums umverteilen, was unter dem Strich zu weniger Sozialwohnungen in den Städten, zu mehr Eigenheimbau außerhalb der Ballungsräume. Um die Wohnungsbauförderung noch investorenfreundlicher zu machen, sollen Förderbedingungen und Standards überprüft werden. Dabei gelten andere Bundesländer als Modell, – also diejenigen, die in der Regel viel weniger soziale Mietwohnungsbauförderung betreiben als das Land NRW.

Bezeichnender Weise enthält der Koalitionsvertrag kein Bekenntnis zum Erhalt des ehemaligen Wohnungsbausondervermögens in der NRW Bank und kein Bekenntnis zum Einsatz der Kompensationsmittel des Bundes für den Sozialen Wohnungsbau. Es muss befürchtetet werden, dass die neue Regierung diese Mittel zweckentfremdet.

Wir brauchen nicht weniger, sondern mehr Förderung dauerhaft preisgünstiger Mietwohnungen. Und um das zu gewährleisten, brauchen wir eine steuerbegünstigte „Neue Wohnungsgemeinnützigkeit“, für solche Vermieter, die sich auf Dauer der der sozialen Versorgung und nicht der Rendite verpflichten.

3. Einzelprivatisierung  und Verdrängung

Außerdem will die neue Regierung die Grunderwerbssteuer für die Erwerber selbstgenutzten Eigentums erlassen. Die Durchsetzung dieser Regelung wird als starker Anreiz nicht nur für den Eigenheimbau auf der grünen Wiese, sondern auch für die Einzelprivatisierung kleiner Häuser und die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen wirken.

Dazu passt, dass auch die Kündigungssperrfristverordnung abgeschafft werden soll. Bislang schützt Mieter in einigen Gebieten für bis zu 8 Jahren vor einer Eigenbedarfskündigung nach dem erstmaligen Verkauf einer umgewandelten Mietwohnung. Bereits die Regierung Rüttgers hatte diese Verordnung gegen die Proteste der Mieter abgeschafft. Die Regierung Kraft hatte sie in abgeschwächter Form wieder eingeführt. Die Ankündigung der Streichung diese Schutzes langjähriger Mieter vor Verdrängung zeigt, auf welcher Seite diese Regierung stehen will.

4. Verzicht auf Wohnungsaufsicht?

Auch die Möglichkeiten für Kommunen sogenannte Zweckentfremdungssatzungen zu erlassen, soll abgeschafft werden. Damit können Kommunen derzeit die Umnutzung, längerfristigen Leerstand und den Abbruch von Wohnungen unter Genehmigungsvorbehalt stellen. Außerdem soll das Wohnungsaufssichtsgesetz, das als Reaktion auf die Verkäufe an Finanzinvestoren „überprüft“ werden. Drohen hier die Fortschritte bei der Verhinderung von Wohnungs-Missständen, der übrigens weitgehend im Konsens mit CDU und FDP erzielt wurden, wieder rückgängig gemacht zu werden?

Pressemitteilung Mieterforum Ruhr, 19.6.2017

Merken