Wohnungspolitische Erwartungen für die kommunale Wahlperiode 2020-2025

In der kommunalen Wahlperiode 2015 – 2020 hat der MieterInnenverein Witten wiederholt Forderungen zu kommunalen Wohnungspolitik beschlossen[1], die zum Teil auch als Anregungen im Hauptausschuss vorgelegt wurden. Auf dieser Grundlage haben wir die nachfolgenden Erwartungen an die Wahlperiode 2020 bis 2025 formuliert und daraus „Wahlprüfsteine“ abgeleitet.

Dieses Dokument ist nicht in allen Details als abschließendes Statement zu verstehen. Es wird sicher noch zu Korrekturen und Verbesserungen im Detail kommen,  aufgrund von Diskussionen und Reaktionen sind im Detail auch noch inhaltliche Änderungen und Ergänzungen möglich. Bis zur ersten Ratssitzung nach den Wahlen am 13. September 2020 soll aber ein abschließendes „Erwartungspapier“ des MieterInnenvereins vorliegen.

1.      Verbindliches Konzept zur sozialen
Wohnungsversorgung entwickeln und umsetzen

Die Stadt Witten hat im Jahr 2018 ein „Handlungskonzept Wohnungen“ beschlossen[2]. Es enthält wichtige Feststellungen, zum Beispiel zum rapiden Schwund der sozial gebundenen Wohnungen in Witten und zu der großen Anzahl von Haushalten mit geringem Einkommen, die auf bezahlbare Wohnungen angewiesen sind.

Demnach ist zwischen 2006 und 2016 der Bestand preisgebundener Mietwohnungen in Witten von 4.273 auf 2.523 Wohneinheiten geschrumpft, und bis 2030 werden weitere 1.623 Sozialwohnungen aus der Bindung fallen. Der Neubau von Sozialwohnungen, der sich in diesen Jahren auf unter 50 Wohnungen im Jahr belief, kann den Schwund bei weitem nicht ausgleichen. Auf der anderen Seite wurde die Zahl der „einkommensschwachen Haushalte“ auf über 12.000 oder 24% geschätzt. Man kann aufgrund von Vergleichen mit anderen Städten davon ausgehen, dass 40 Prozent der WittenerInnen Anspruch auf eine Sozialwohnung hätten. Vor allem durch die wachsende Altersarmt werden es immer mehr, wobei sich auch die Anforderungen an die Wohnungen ändern: dringend gebraucht werden kleinere, barrierearme Wohnungen in Lagen mit guter Nahversorgung. Es fehlen aber auch größere bezahlbare Wohnungen für Familien mit 2 und mehr Kindern. Besondere Versorgungsprobleme haben hier Familien mit erkennbarem Migrationshintergrund.

Wie wir bereits 2018 betonten, ist das „Handlungskonzept Wohnen“ allerdings kein schlüssiges und verbindlicher Plan, der aufzeigt, mit welchen Schritten ein gutes und bezahlbares Wohnen für alle Menschen in Witten gesichert werden soll. „Dazu sind die quantitativen Untersuchungen zu unvollständig und spekulativ. Dazu sind die sozialen Zielbestimmungen zu unpräzise. Und vor allem sind die Handlungsempfehlungen viel zu unverbindlich und lückenhaft.“[3] Das Papier ist in seinem Hauptteil von der politischen Vorgabe bestimmt, eine positive Bevölkerungsentwicklung zu stützen und dabei eine vergleichsweise eher gehobene Nachfrage zu decken.

Dass es zu einem anhaltenden Bevölkerungswachstum kommen wird, ist eher nicht zu erwarten. Der Bedarf an Neubauwohnungen ist deshalb eigentlich sehr begrenzt, zumal auch eine gewisse Leerstandsreserve besteht. Das zentrale Problem in Witten liegt in der Mietpreisentwicklung, der Verteilung des Wohnraums und dem Erneuerungsbedarf im Wohnungsbestand.

Die in dem „Handlungskonzept“ aufgeführten Ma0nahmen sind zwar anregend, aber unverbindlich. Es ist nicht ersichtlich, dass eine konsequente Umsetzung der Beschlüsse erfolgt. Zum Beispiel ist von dem von uns geforderten Auftrag, die Einführung von Milieuschutzsatzungen zu prüfen, nichts mehr zu hören.

Deshalb erneuert der MieterInnenverein Witten seine Forderung nach der Erarbeitung eines Wohnungsversorgungskonzeptes. Dabei soll es um eine Konzeption gehen, die vor allem projektbezogen entwickelt wird, und nicht um eine weitere Studie oder Absichtserklärung, die dann in den Schubladen verschwindet. Gerade deshalb sind begleitend auch wesentliche genauere Untersuchungen zu den sozialen Wohn- und Lebenslagen erforderlich, uns natürlich auch Diskussionen zu Zielkonflikten, rechtlichen und finanziellen Handlungsspielräumen. Damit dies nicht zu einem Aufschub praktischen Handelns führt, können wir uns vorstellen, dass neuen Handlungsansätze an Pilotprojekten entwickelt und erprobt werden.

Unsere Erwartungen für die nächste Wahlperiode:

  1. Der Rat soll innerhalb von 6 Monaten nach der Wahl die Erarbeitung eines ständig fortzuschreibenden Wohnungsversorgungskonzeptes beschließen und die dafür erforderlichen Haushaltmittel bereitstellen. Die lokale Wohnungswirtschaft, die Interessenvertretungen und die Sozialverbände sind an den Beratungen zu beteiligen. Es sind die erforderlichen Haushaltmittel für Personal und Untersuchungen bereits zustellen. Dies ist trotz Haushaltssicherung durch die zu erwartende zukünftige Senkung der öffentlichen Sozialkosten gerechtfertigt und aufgrund der hohen Grundsteuer in Witten von den Mieterinnen bereits finanziert.
  2. Das Wohnungsversorgungskonzept soll aufzeigen, welche Herausforderungen es für eine sichere, gerechte, bezahlbare Wohnungsversorgung für in Witten gibt, wie diese Herausforderungen bewältigt werden können und welche konkreten Maßnahmen dazu perspektivisch und innerhalb der nächsten 5 Jahren verbindlich ergriffen werden sollen. Das Wohnungsversorgungskonzept soll unmittelbar an bekannten Problemlagen ansetzen und auf bestehende Handlungsansätze aufbauen. Es soll unter anderem die von uns in diesem Papier vorgeschlagenen Maßnahmen beinhalten, Pilotprojekte verfolgen und diese Entwicklungen zu einem Gesamtkonzept verbinden.
  3. Im Rahmen des Wohnungsversorgungskonzepts soll fortlaufend ermittelt werden, wie viele Haushalte aus welchen Gründen unzureichend mit Wohnraum versorgt sind und inwieweit und aus welchen Gründen es in Witten zu einer Überlastung der Haushaltseinkommen und zu einer Verknappung bezahlbaren Wohnraums für die unteren Einkommensgruppen kommt. Eine Überlastung der Haushaltseinkommen und mangelnde Bezahlbarkeit soll dabei dann angenommen werden, wenn die Wohnkosten mehr als ein Drittel der Bruttoeinkommen eines Haushaltes ausmachen, bei Bezug von Sozialleistungen, wenn die Wohnkosten über den lokalen Richtwerten für die angemessenen Aufwendungen der Unterkunft nach SGB II und SGB XII liegen.
  4. Es sollen Wohngebiete und Wohnungsportfolien in Witten identifiziert werden, in denen es durch Anstieg der Mieten oder Eigentumsübergänge in besonderem Ausmaß zu der Gefahr einer Überlastung der Einkommen der betroffen BewohnerInnen, einer Verdrängungen aus den bisherigen Wohnungen und/oder zu einer Verknappung des Angebotes an bezahlbaren Wohnungen für die unteren zwei Einkommensfünftel kommt.
  5. Es soll ermittelt werden, in welchem Umfang und bei welchen größeren Wohnungseigentümern es bei den Angebotsmieten oder nach Mieterhöhungen zu einer Überschreitung der ortsüblichen Vergleichsmiete um mehr als 10% (Grenze bei Geltung einer Mietenbremse) und 20 % (Grenze einer Mietüberhöhung gem. § 5 WiStG) kommt.
  6. Es soll fortlaufend dargestellt werden, wie hoch das bestehende, aktuell zu ermittelnde Defizit an bezahlbaren Wohnungen für die Wittener Bevölkerung der unteren Einkommensgruppen ist und wie dieses Defizit durch Neubau, Ankauf und Sicherung dauerhaft bezahlbarer, bedarfsgerechter Wohnungen in entsprechender Anzahl ausgeglichen werden kann.
  7. Es sollen geeignete kommunale Maßnahmen entwickelt, diskutiert und dem Rat zur Beschlussfassung vorgeschlagen werden, mit denen überhöhten Mieten, Mietsteigerungen sowie Verdrängungen entgegengewirkt werden kann. Eigentümer mit hohen Mieten sollen von der Stadt auf ihr problematisches Verhalten und dessen Konsequenzen hingewiesen werden.
  8. Es soll aufgezeigt werden, wie den unterschiedlichen Gruppen der Wohnungsnotbetroffenen in Witten gezielt geholfen werden kann, wie das Hilfesystem zur Vermeidung von Wohnungsverlusten verbessert werden kann und welche zusätzlichen Maßnahmen zur Unterbringung von Wohnungslosen und Geflüchteten in normalen Mietwohnungen ergriffenwerden sollen.
  9. Ein erster Bericht zum Handlungskonzept soll bis Ende 2021 vorliegen. Er soll jährlich fortgeschrieben werden.

2.      Kommunale Handlungsmöglichkeiten für die Begrenzung des Mietenanstiegs offensiv nutzen

Eine Hauptherausforderung für die Sicherung einer bezahlbaren Wohnungsversorgung für alle sind die überdurchschnittlichen Mietsteigerungen in einem Teil des Wittener Wohnungsbestandes. Vor allem Vonovia, LEG und kleinere renditeorientierte Eigentümer verlangen bei Neuvermietung und nach Modernisierungen Mieten, die zum Teil mehr als 40 % über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Die Mieten sozial orientierter lokaler Anbieter und finanzmarktgetriebener Immobilienanleger klaffen immer weiter auseinander. Vor allem die börsennotierten Wohnungskonzerne treiben durch ihren hohen Anteil an ehemals sozial gebundene Wohnungen   die Durchschnittsmieten im gesamten Stadtgebiet in die Höhe. Dies wird auch in zukünftigen Mietspiegeln abgebildet und damit die Wohnkostenbelastungen aller privaten (und indirekt auch der öffentlichen) Haushalte prägen.

Die Landesregierung hat bei der Neufestsetzung der Gebiete für ihre mietrechtlichen Verordnungen im Sommer 2020 Witten wieder einmal gänzlich unberücksichtigt gelassen. Es gilt weder eine niedrigere Kappungsgrenze bei Mieterhöhungen noch eine Mietpreisbremse. Schon gar nicht ist in absehbarer Zeit zu erwarten, dass ein (eigentlich erforderlicher) Mietendeckel nach Berliner Modell geschaffen wird.

Die kommunalen Handlungsmöglichkeiten in diesem Bereich sind begrenzt. Umso wichtiger ist es, sie konsequent zu nutzen.

Aus der letzten Wahlperiode positiv hervorzuheben ist die Neuerhebung des Wittener Mietspiegels 2018 und die Absichtserklärung, den qualifizierten Mietspiegel in Zukunft gemäß den gesetzlichen Vorgaben alle vier Jahre neu zu erheben und nach 2 Jahren fortzuschreiben. Damit kann bei Mieterhöhungsverlangen im bestehenden Mietverhältnis relative Rechtsicherheit erreicht werden. Soweit die MieterInnen die Mieterhöhungsverlangen prüfen, können die Mieten bei bestehendem Mietvertrag auf ein Durchschnittsmaß begrenzt werden. Die Versuche – vor allem der LEG Immobilien AG – Mieterhöhungsverlangen mit drei willkürlich ausgewählten „Vergleichswohnungen“ aus dem eignen Wohnungsbestand zu begründen und so die Bestandmieten massiv anzutreiben, wurden mit dem qualifizierten Mietsiegel unterbunden.

Durch die regelmäßige Erhebung des Mietspiegels sind die Mieten aber bei weitem nicht genügen reguliert. Mieten, die 40 % über dem Mittelwert des Mietspiegels liegen, haben eigentlich die Grenzen der Ordnungswidrigkeit gem. § 5 WiStG überschritten, jedenfalls dann, wenn man davon ausgeht, dass ein geringes Angebot an vergleichbaren Wohnungen zu günstigeren Preisen vorliegt.  Nach Urteilen des BGH im letzten Jahrzehnt, die den betroffenen MieterInnen kaum überwindbare Hürden für den Beweis der Ausnutzung eines Wohnungsmangels auferlegen, gilt § 5 WiStG zivilrechtlich als nicht mehr anwendbar. Ob dieses Urteil ohne weiteres auf das Ordnungsrecht übertragbar ist, ist jedoch nicht ausgemacht. Hoffnung, auch für die zivilrechtlich Anwendbarkeit, bietet auf jeden Fall eine von der Bundesregierung unterstütze Bundesratsinitiative, nach der bei Vorliegen eines angespannten Wohnungsmarktes die Überschreitung der 20%-Marke immer als Mietüberhöhung gelten soll. Sollte es zu dieser Änderung kommen, wäre die Stadt Witten gefordert, den Nachweis zu erbringen, dass für den betroffenen Personenkreis örtlich ein Mangel an günstigeren Wohnungen besteht. Dann besteht die Aussicht, Mietüberhöhungen von mehr als 20% ordnungsrechtlich zu verfolgen und der Mietpreistreiberei die Spitze zu brechen.

Unsere Erwartungen:

  1. Gemäß den geltenden gesetzlichen Bestimmungen soll ein neuer qualifizierter Mietspiegel erstellt und Anfang 2022 veröffentlicht werden. Nach jetziger Rechtslage könnte der Mietspiegel dann 2024 nach Lebenshaltungskostenindex fortgeschrieben werden. 2025 müsste bereits die Erhebung für den Mietspiegel 2026 erfolgen.
  2. Die Stadt soll offensiv prüfen, ob und inwieweit nach geltendem Recht ordnungsrechtlich gegen Mieten vorgegangen werden kann, die mehr als 20 % über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Ein Sachstandsbericht sollte in der ersten Jahreshälfte 2021 vorliegen.
  3. Veröffentlichte Mietangebote sollen von der Stadt fortlaufend auf mögliche Überhöhungen beobachtet werden. Sie soll dabei mit dem MieterInnenverein und anderen Stellen zusammenarbeiten. Im Falle einer bekannt gewordenen Mietüberhöhung soll die Stadt tätig werden und den Eigentümer zur Absenkung der Miete auffordern. Die Wohnungsangebote großer Unternehmen sollen dabei besonders beachtet werden.
  4. In Hinblick auf die geplante Novelle von § 5 WiStG sollen die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, Mieterhöhungen und Angebotsmieten, die mehr als 20 % über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen, unmittelbar ordnungsrechtlich zu verfolgen.
  5. Es soll versucht werden, auf dem Verhandlungswege zu erreichen, dass größere in Witten tätige Vermieter freiwillig zusichern, keine Mieten von mehr als 20 % der ortsüblichen Vergleichsmiete zu verlangen und bereits überhöhte Mieten abzusenken. Mit der Umsetzung soll bis Ende 2020 begonnen werden.
  6. Die Stadt soll sich gegenüber der Landesregierung dafür einsetzen, dass das Stadtgebiet in Zukunft in den Geltungsbereich mitrechtlicher Verordnungen aufgenommen wird. Sie soll Forderungen nach einem lokal gerechten Mietendeckel unterstürzen.

 

3.      Verdrängung durch Modernsierungen verhindern  – Schutz des Klimas und der MieterInnen verbinden!

Neben der Neuvermietung sind Modernisierungen im Wohnungsbestand weiterhin der Hauptmietpreistreiber. Sie vertreiben auch MieterInnen aus ihren bisherigen Wohnungen, so etwa 2019/2020 bei Modernisierungsmaßnahmen der LEG in der Steinstraße. Die durch den Bundesgesetzgeber Anfang 2019 erfolgte Absenkung der Umlagequote der Modernisierungskosten auf 8%/Jahr und die Deckelung der Mieterhöhungen auf (in Witten meist) 2 €/qm hat für Witten keinen ausreichenden Mieterschutz bewirkt. Die Modernisierungskosten können vor allem von Konzernen über die von ihnen beherrschten ausführenden Unternehmen in der Praxis stark manipuliert werden. Auch Erhöhungen der Mieten um 2 € können in Witten zudem bis zu 40 % ausmachen. Allerdings führen große Modernsierungen nicht selten auch zu Mieterwiderständen. Die Vonovia hat nicht zuletzt aus diesem Grunde größere Fassadenmodernisierungen zurückgefahren.

Auf der anderen Seite sind energetisch sinnvolle Modernsierungen, die nicht zu starken Erhöhungen der Bruttowarmmieten führen, aus Gründen der Klimaschutzes dringend erforderlich. Die bestehenden gesetzlichen Rahmenbedingungen sind unzureichend, um das Dilemma auf lokaler Ebene zu lösen. Die Kommune kann aber Rahmenbedingungen und Benchmarks setzen, die Modernsierungen mit starken Mieterhöhungen hinterfragen und erschweren und sinnvolle Klimaschutzinvestitionen anregen.

Mit dem Erlass von Milieuschutzsatzungen gem. BauGB können Modernsierungen unter Genehmigungsvorbehalt gestellt werden, was – unabhängig von einer im Einzelfall zu verweigernden Erlaubnis – dazu führt, dass die Bauherren ihre Maßnahme rechtfertigen müssen und deshalb mehr auf die Wirtschaftlichkeit im Sinne der Mieter achten. Wird die Verpflichtung zur Meldung einer beabsichtigten Maßnahme mit Angeboten zur Beratung kombiniert, ergeben sich Potenziale zur einer Absenkung unnötiger Kosten, einer Fokussierung der Modernisierungen auf besonders klimaeffiziente Maßnahmen und einer größeren Kostentransparenz auch für die Mieter. Die Milieuschutzsatzung kann der Stadt außerdem zusätzliche Vorkaufsrecht verschaffen, die für die Wiedergewinnung einer kommunalen Liegenschaftspolitik wichtig sein kann. In vielen Fällen würde man Anordnungen durch Abwendungsvereinbarungen vermeiden, die zumindest eine Entlastung für die Mietenentwicklung bringen.

Im Rahmen eines Labels „nachhaltig bewirtschafteter und erneuerter Wohnungsbestand“ kann zusätzlich versucht werden, Benchmarks für eine höhere ökologische und soziale Qualität der Wohnungsbewirtschaftung und der Modernisierungsmaßnahmen zu setzen. Dabei sollten die folgenden Themen berücksichtigt werden:

  • Erreichbarkeit der EigentümerInnen für MieterInnen und Stadt
  • Transparenz der Eigentümerstruktur
  • Mieten im Verhältnis zum Mietspiegel
  • Modernisierungsmieterhöhungen warmmietenneutral oder bis Mietspiegel-Höhe
  • Transparenter Beleg von tatsächlichen Betriebskosten und Modernisierungsumlagen
  • Bildung und Verwendung von Bauerneuerungsrücklagen
  • Standards der energetischer / klimagerechter Bauerneuerung
  • Verwendung nachhaltiger Baumaterialien/produkte (umwelt- und sozialgerechte Herstellung, Verwendung, Lebensdauer, Entsorgung, gesundheitliche Unbedenklichkeit)
  • umweltgerechte Organisation von Baustellen, tarifgerecht bezahlte Bauarbeit
  • Wohnumfeldentwicklung und Pflege
  • MieterInnenmitwirkung

 

Unsere Erwartungen:

  1. Der Rat sollte bis Ende 2020 die Verwaltung beauftragen, einen Bericht zu den Möglichkeiten und der Gebietskulisse von sozialen Erhaltungssatzungen im Sinne von § 172, Abs.1, S,1 Nr. 2 BauGB zu erarbeiten und innerhalb der ersten Jahreshälfte 2021 mit einem Maßnahmeplan für die Erarbeitung der Satzungen vorzulegen. Diese Satzung sollen Modernsierungen unter Genehmigungsvorbehalt stellen und der Kommune Vorkaufsrechte einräumen, die nur durch vertragliche Vereinbarung mit dem Eigentümer abgewendet werden können.
  2. Das Thema soll durch eine öffentliche Anhörung von Expertinnen im Jahr 2021 vertieft werden. Diese kann auch in Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Akteuren durchgeführt werden.
  3. Für ein geeignetes Stadtgebiete sollen ein Modell-Satzung bis Ende 2021 beschlussfähig vorbereitet werden. Weitere Satzungen sollen möglichst zügig folgen,
  4. Die Stadt soll mit der lokalen Wohnungswirtschaft und den Mietervertretungen „Leitlinien für nachhaltig bewirtschaftete und erneuerte Wohnungsbestände“ erarbeiten.

 

4.      Gemeinnützige Wohnungswirtschaft
stärken und ausbauen!

Um bezahlbare, gute Wohnungen zu erhalten und neue zu schaffen sind Eigentümer erforderlich, die nicht an hohen Renditen und Vermögenszuwächsen interessiert sind, sondern unmittelbar und dauerhaft der sozialen Wohnungsversorgung dienen. Diesen Teil der Wohnungswirtschaft nennen wir „gemeinnützig“. Auf Bundes- und Landeseben fordern wir die Schaffung einer „Neuen Wohnungsgemeinnützigkeit“, mit der die steuerliche und direkte öffentliche Förderung auf solche Wohnungsunternahmen konzentriert werden soll, die dauerhaft und bindend ihr gesamtes Vermögen für die soziale Wohnungsversorgung einsetzen und zugleich transparent sind.

In Witten erfüllt unserer Ansicht nach die kommunale Siedlungsgesellschaft Witten mbH (SGW) heute (wieder) wichtige Kriterien einer neuen Wohnungsgemeinnützigkeit. Leider wurde sie in früheren Jahren durch kommunalpolitischen Privatisierungs- und Verwertungsdruck und durch Managementfehler wirtschaftliche stark geschwächt. Teile ihres Wohnungsbestandes wurden unverantwortlicher Weise verkauft. Etliche der veräußerten Häuser sind heute Problemimmobilien und Spekulationsobjekte. In den letzten Jahren hat sich die Situation der SGW aber wieder verbessert, vor allem, weil die Stadt Witten auf Gewinnausschüttungen verzichtet hat. Inzwischen plant die SGW auch wieder, Wohnungsbau zu betreiben.

Diese Orientierung gilt es weiterzuentwickeln und verbindlich zu machen. Dann kann die Siedlungsgesellschaft Witten zu einem zentralen kommunalen Instrument für die Sicherung und Schaffung bezahlbaren Wohnraums in Witten ausgebaut und entsprechend von der Stadt gestärkt und gefördert werden.

Auch die Wittener Wohnungsgenossenschaften leisten einen wichtigen sozialen Versorgungsbeitrag mit zum Teil sehr innovativen Impulsen. Sie sollten, ebenso wie ethisch orientierte Privateigentümer, in ein erweitertes lokales Netz gemeinnütziger orientierter Vermieter einbezogen und bei Erfüllung der Auflagen von der Stadt besonders gefördert werden.

Zu diesem Zweck sollte die Stadt Witten einen Kriterienkatalog „Gemeinnützige Wittener Wohnungswirtschaft (GWW)“ als Rahmensetzung und Benchmarking für solche Wohnungsträger entwickeln und beschließen, die Förderungen und Unterstützung der Stadt Witten beanspruchen. An Wohnimmobilieneigentümer, die sich dieser Zielsetzung verbindlich anschließen, sollten – ggf. zu beschaffende – kommunale Grundstücken in Erbpacht vergeben werden, wobei die Einhaltung der GWW-Bedingungen Teil des Vertrages wären. Die unter 3. genannten Benchmarks sollen Teil der (weitergehenden) Anforderungen an die gemeinnützige Wohnungswirtschaft sein

Wichtig für die Stärkung des gemeinnützigen Wohnungsneubaus ist die stadtplanerische Identifikation und gezielte Entwicklung und Kommunalisierung geeigneter Flächen. Wird neues Baurecht geschaffen, sollte deshalb immer auch der Erwerb kommunaler Grundstücke für die GWW-Bebauung gesichert werden. Grundsätzlich sollten bei allen neuen Wohnungsbauflächen mehr als 50% des gesamten Wohnungsbaus durch gemeinnützige Träger erfolgen.

Im Rahmen der GWW könnte auch über alternative Finanzierungsmodelle und Kooperationsstrukturen der Wohnungsbewirtschaftung nachgedacht werden. Auch hierzu sollte die Stadt Initiativen entwickeln.  So gibt es in Witten Potenziale zur Mobilisierung des Kapitals ethischer Anleger, die sich – auch indirekt – bei begrenzter Rendite an sozialökologischen Wohnungsprojekten oder Modernisierungsmaßnahmen beteiligen könnten. In der Wohnungsbewirtschaftung gibt es erhebliche Potenziale zur Senkung der Kosten, wenn outgesourcte Bereiche von der lokalen gemeinnützigen Wohnungswirtschaft übernommen würden. So gibt es eigentlich keinen Grund, warum die Heizkostenabrechnungen an renditeorientierte Großkonzerne ausgelagert sind.

Unsere Erwartungen für die Wahlperiode:

  1. Um die gemeinnützige Orientierung der Siedlungsgesellschaft Witten (SGW) zu sichern und zu vertiefen, sollte ihre Bindung an definierte gemeinnützige Ziele im Gesellschaftervertrag und auf andere geeignete Weise verbindlich verankert werden.
  2. Zentrale Aufgabe der SGW sollte es weiter sein, breite Schichten der Bevölkerung mit guten, bezahlbaren Wohnungen zu versorgen und dabei besonders die Bevölkerungsgruppen im Auge zu haben, die bei der Wohnungsversorgung auf dem Markt diskriminiert werden. Damit muss die Siedlungsgesellschaft über die eigentliche Vermietung hinaus Aufgaben der sozialen Integration übernahmen, die ihr von der Stadt auch zu vergüten sind.
  3. Ein sozialverträglicher Klimaschutz und die Stärkung der Mitwirkung der BewohnerInnen sollte als weitere Zweckbestimmungen der SGW in die Satzung aufgenommen werden. Privatisierungen sollten ausgeschlossen sein. Es sind auch Strukturen zu entwickeln, die eine Privatisierung erschweren.
  4. Die SGW soll den Bestand an Wohnungen mit Mieten bis zur Sozialmietenhöhe durch Neubau und Zukauf deutlich ausbauen.
  5. Für die MieterInnen wesentliche Aspekte, zum Beispiel ein Schutz vor Verkäufen und ihren Folgen, sollten in den Mietverträgen aufgenommen werden. Es sollte ein Beirat der MieterInnen und der Stadtgesellschaft bei der SGW Witten eingerichtet werden.
  6. In der gemeinnützig gebundenen Siedungsgesellschaft soll die Stadt das Eigenkapital erhöhen, indem Sie für Wohnungsbauprojekte geeignete städtische Baugrundstücke in die Gesellschaft einbringt. Sie sollte sich auch an der Beschaffung derartiger Grundstücke beteiligen. Ebenso soll die Stadt geeignete Wohngebäude, etwa durch Ausübung von Vorkaufsrechten, in die SGW einbringen.
  7. Auf Gewinnausschüttungen der SGW soll dauerhaft verzichtet werden. Dagegen soll in Verbindung mit der Ausbaustrategie auch die direkte Kapitaleinlage der Stadt Witten erhöht werden.
  8. Im Dialog mit den genossenschaftlichen Wittener Wohnungsunternehmen entwickelt die Stadt einen Kriterienkatalog „Gemeinnützige Wittener Wohnungswirtschaft (GWW)“.
  9. Die Stadt legt einen Maßnahmenplan „Ausbau der kommunalen Bauflächen für gemeinnützigen Wohnungsbau“ vor.
  • Sie Stadt gibt ein Gutachten „Lokale Mobilisierung ethischen Anlagekapitals für gemeinnützige Wohnungsträger“ in Auftrag.

 

5.          Wohnungsaufsicht reorganisieren,
Leerstandsverordnung beschließen

Neben höheren Mieten und teuren Modernisierungen können wir in Witten auch beobachten, dass Eigentümer ihre Wohnungen stark vernachlässigen, so dass diese schließlich zu Problem- oder gar Schrottimmobilien werden. Kommt es zu größeren Problemen ziehen die Immobilien die gesamte Nachbarschaft in Mitleidenschaft. In anderen Fällen lassen Eigentümer ihr Wohnungen aus Überforderung oder wegen spekulativer Absichten leer stehen, obwohl sie dringend benötigt würden.

Gegen diese Zustände ist Stadt nicht machtlos. Nach dem Wohnungsaufsichtsgesetz NRW ist sie sogar verpflichtet, gegen Wohnungsmissstände wie starke Mängel, Feuchtigkeit eine unzureichende Versorgung mit Wärme oder Wasser vorzugehen. Um die Missstände zu beseitigen kann sie gegen den Eigentümer Anordnungen und Bußgelder erlassen. Sie kann auch Ersatzvornahmen vornehmen und die Kosten zurückfordern.  Sie kann und soll darüber hinaus auch schon bei Enzeichen einer Vernachlässigung von Wohnungsbeständen tätig werden und den Eigentümer auf die Probleme hinweisen.

Leider wird in Witten das Wohnungsaufsichtsgesetz sehr unzureichend angewandt. In den betreffenden Häusern leben häufig sozial besonders benachteiligte Menschen. Seit die Zuständigkeit vom Amt für Wohnen und Soziales auf das Bauordnungsamt übergegangen ist, scheinen nicht die betroffenen BewohnerInnen im Mittelpunkt zu stehen, sondern Gesichtspunkte der Gefahrenabwehr und der Kostenreduzierung für die Stadt. In der Steinstraße zum Beispiel wurde ein Haus für unbewohnbar erklärt, nachdem der MieterInnenverein die Stadt zum Tätigwerden aufgefordert und Zusammenarbeit angeboten hatte. Eine Familie wurde vorübergehend obdachlos. Seit diesem Erlebnis arbeitet die MieterInnenverein nicht mehr mit der Wohnungsaufsicht zusammen.

Unsere Erwartungen:

  1. Innerhalb von 6 Monaten nach der Wahl beauftragt der Rat die Verwaltung mit der Reorganisation und Neukonzipierung der kommunalen Wohnungsaufsicht. Die zuständige Fachstelle soll die präventiven und akuten Ziele des Wohnungsaufsichts-Gesetzes NRW im Sinne der sozialen Daseinsvorsorge pro-aktiv verfolgen und mit anderen Maßnahmen der kommunalen Wohnungspolitik abstimmen. Sie soll möglichst nicht im Bauordnungsamt angesiedelt sein und eng mit den für die Wohnungsversorgung und die soziale Betreuung zuständigen Stellen zusammenarbeiten.
  2. Um die Vernachlässigung von Wohnraum schon im Vorfeld zu bekämpfen und Wohnungsmissstände zu beseitigen, müssen problematische Immobilien frühzeitig bemerkt werden. Bei der Identifikation von Handlungserfordernisse und der Entwicklung von Lösungsansätzen soll die strategische Zusammenarbeit mit dem MieterInnenverein und anderen Beratungsstellen gesucht werden. Durch die Zusammenarbeit mit den MieterInnen, dem MieterInnenverein oder Sozialverbänden sollen außerdem zivil- und ordnungsrechtlichen Mittel kombiniert wird. Es soll eine Vereinbarung mit den strategischen Partnern angestrebt werden.
  3. Erforderlichenfalls soll die Stadt vor Anordnungen und Bußgeldern nicht zurückschrecken. Es sollen auch kommunale Ersatzvornahmen ermöglicht werden. Dies gilt auch für die Unterbindung von Versorgungsperren.
  4. Um konsequent gegen Wohnraumleerstand und den Verfall leerstehenden Wohnraums vorgehen zu können soll die Stadt eine Zweckentfremdungssatzung nach Dortmunder Vorbild erlassen. Die Umsetzung soll 2021 erfolgen. Auf dieser Grundlage soll eine aktive Leerstandspolitik entwickelt werden, die auch personell angemessen umgesetzt werden muss.

 

6.       Planungs- und Liegenschaftspolitik neu ausrichten

Für den – begrenzt erforderlichen – Wohnungsneubau stehen nur wenige Flächen zur Verfügung. Eine Neuversiegelung von Böden und die weitere Zersiedlung der Landschaft muss nach Möglichkeit vereiden werden. Auch innerstädtische Freiräume erfahren in Zeiten des Klimawandels und der Pandemie eine Neubewertung. Grundstücke in bestehenden Siedlungszusammenhang sind zudem oft schwer mobilisierbar, nur unter hohem Aufwand zu erschließen oder mit Altlasten belastet. Unter diesen Gesichtspunkten muss mit den noch vorhandenen bebaubaren Flächen, einschließlich von Abbruchflächen, besonders sparsam und kreativ umgegangen werden. Bei der Nutzung von Flächen für den Wohnungsbau muss der barrierefreie Geschoßwohnungsbau zu günstigen Mieten durch gemeinnützige Träger absoluten Vorrang haben.

Um die wohnungspolitischen und städtebaulichen Ziele zu erreichen, ist der Einsatz des planungsrechtlichen Instrumentariums allein unzureichend. Es muss auch eine vorausschauende kommunale Liegenschaftspolitik geben. In Witten muss der Bestand kommunaler Grundstücke deutlich erhöht werden. Sie sollten möglich nicht an Privateigentümer veräußert, sondern nach sozialen und ökologischen Kriterien in Erbpacht vergeben werden, wodurch alle Wohnungen – auch Ein- und Zweifamilienhäuser – dauerhaft an das Gemeinwohl gebunden werden können.

Unsere Erwartungen:

  1. Die bestehenden oder geplanten Flächen für eine Wohnbebauung sollen daraufhin überprüft werden, ob und wie der Anteil an bedarfsgerechten Geschoß- und möglichst bezahlbaren Mietwohnungen mit einer zeitnahen Realisierungsperspektive deutlich erhöht werden können und welche Anpassungen aufgrund des Klimawandels an bisherigen Festsetzzunge erforderlich und möglich sind. Für diese Überprüfung sollte ein Beschluss des Rates möglichst noch im Jahr 2020 erfolgen.
  2. Im Sinne eines Pilotprojektes ist vorab zu prüfen, mit welchen Vorgaben oder Maßnahmen die städtebauliche, soziale und ökologische Qualität der geplanten Bebauung du Gestaltung des öffentlichen Raums auf dem Kornmarkt verbessert werden kann. Die Wohnungen sollten bezahlbar sein und deshalb Sozialmieten nicht übersteigen. Es sollte an diesem Standort sowohl in Hinblick auf das Mikroklima als auch auf Baustandards und Materialien eine im Sinne des Klimaschutzes und Städtebaus vorbildliche Bebauung erfolgen, die den öffentlichen Raum gestalterisch anspruchsvoll einfasst. Hierbei sind auch mögliche Nutzungskonflikte (feiernde Menschen) zu bedenken. Es muss schließlich unbedingt der öffentliche Verkehr (Bushaltestelle!) besser berücksichtigt werden. Werden die Kriterien von dem Bauträger nicht erfüllt, sollte nach Alternativen mit einer möglichst öffentlichen oder gemeinnützigen Trägerschaft gesucht werden. Als Einnahmequelle zum Ausgleich für Haushaltsdefizite der Stadt eignet sich dieser zentrale Bereich nicht.
  3. Neues Baurecht sollte ausschließlich für solche Wohnungen geschaffen werden, die unmittelbar auch dem Abbau des Defizits an bezahlbaren, barriefreien Wohnungen und dem Ausgleich für den Verlust bezahlbarer Wohnungen im Stadtteil dienen. Die identifizierten Flächen müssen möglichst komplett mit Wohnungen im bezahlbaren Segment bebaut werden. Wird neues Baurecht geschaffen, soll immer auch der Erwerb kommunaler Grundstücke für die Bebauung durch gemeinnützige Träger gesichert werden, vorrangig durch die Siedlungsgesellschaft. Grundsätzlich sollte bei allen neuen Bauflächen mehr als 50% des gesamten Wohnungsbaus durch gemeinnützige Träger und/oder mit Sozialwohnungen erfolgen.
  4. Als Beispiel für ein Pilotprojekt im Sinne eines städtebaulich integrierten gemeinnützigen Wohnungsneubaus sollte die Entwicklung der Grundstücke nördlich des Fischertalwegs (und am Wannen) durch die Siedlungsgesellschaft Witten, ggf. mit gemeinnützigen Partnern, geprüft werden. Es könnte eine Wohnanlage für mehrere Generationen geschaffen werden, in der auch Familien mit mehreren Kindern Platz finden. Ein wichtiges Thema wären nutzungsneutrale und flexible Grundrisse. Städtebaulich wären die benachbarten Gartenstadtansätze zu berücksichtigen. Die Wohnanlage sollte einen kleinen Ausgleich für den enormen Verlust von gemeinnützig bewirtschafteten Mietwohnungen in Heven und Heven-Ost schaffen und mit einem Konzept zur Sicherung der sozialen Qualitäten des Quartiers abgestimmt sein.
  5. Es sollen die organisatorischen Voraussetzungen für eine vorausschauende kommunale Bodenvorratspolitik geschaffen werden. Kommunale Grundstücke sollen entweder in kommunale Träger eingebracht oder in Erbpacht an möglichst gemeinnützige Träger vergeben werden. Es sollte ausschließlich Konzeptvergaben nach (realistischen) sozialen und ökologischen Kriterien geben. Für die Finanzierung und Organisation der Bodenvorratspolitik sollen auch neue Instrumente entwickelt werden. Zum Beispiel ein gemeinnütziger Bodenfonds oder Community Land Trust.

 

7.      Unterbringungskonzept und
Wohnungsnotfallhilfen verbessern

In den Jahren nach Abflauen der Wohnungsnot der 90er Jahre ist es in Witten gelungen, die meisten städtischen Unterkünfte für Wohnungslose in normale Mietwohnungen zu verwandeln und die Zahl der ordnungsbehördlich untergebrachten Wohnungslosen zu reduzieren. Das war ein wichtiger Schritt, bedeutet aber nicht, dass es nicht auch weiterhin zahlreiche Wohnungsnotfälle gibt. Immer wieder kommt es zu Räumungsklagen, bei denen die Betroffenen hilflos sind. Sollten sich die vorhandenen Defizite an bezahlbaren Wohnungen ausweiten, ist mit einem Anwachsen der Wohnungsnotfälle zu rechnen. Anzeichen dafür gibt es schon jetzt. Es ist sehr schwierig für Menschen mit sozialen oder gesundheitlichen Handicaps, Schulden oder sehr geringen Einkommen, geeignete und bezahlbare Wohnungen zu finden. Manche Menschen ziehen es vor, auf der Straße zu leben.

Witten bekannt sich auch bei der Flüchtlingsunterbringung zu dezentralen Lösungen. Gleichzeitig aber wurden an der Brauchstraße zentrale Überkapazitäten geschaffen. Die Betreuung der Geflüchteten wird ehrenamtlich unterstützt, die professionelle Unterstützung ist personell sehr dünn aufgestellt.

All diese Probleme haben durch die Corona-Pandemie noch eine Zuspitzung erfahren. Schlechte, kleine Wohnungen und Unterkünfte sind kein geeigneter Quarantäne-Aufenthalt. Die Zahl der Gewaltopfer hat zugenommen. Die Betroffenen, zumeist Frauen, brauchen dringend andere Wohnungen.

Der durch die Pandemie verursachte Verlust von Einkommen konnte teilweise durch den erleichterte Zugangzu Sozialleistungen aufgefangen werden. Im April 2020 nahm die Zahl der Neuanträge auf Leistungen gem. SGB II („Hartz IV“) im Vergleich zum Vormonat um 99 % zu.[4] In den beiden Folgemonaten gab es nur einen leichten Rückgang dieser Zahlen. Vorübergehend waren die Obergrenzen für die Kosten der Unterkunft ausgesetzt. Es ist damit zu rechnen, dass mit einer Verzögerung von einen halben bis einem Jahr zu vermehrten behördlichen Kostensenkungsaufforderungen kommt, die die Zahl der Wohnungssuchenden im preiswerteren Segment erhöht. Manche werden auch nicht zahlen. Und damit wächst das Risiko der Zwangsräumungen.

Wir erwarten:

  1. Die Zahl der behördlich und in Sammelunterkünften Untergebrachten soll weiter reduziert werden. Die Menschen sollten in der Regel dezentral in geeigneten Wohnungen mit Mietvertrag und ohne gesundheitliche Nachteile untergebracht werden und bei Bedarf dort betreut werden. Einen entsprechenden Grundsatzbeschluss sollte der Rat baldmöglichst fällen
  2. Das Angebot an betreuten dezentralen Wohngruppen muss bedarfsgerecht ausgebaut werden.
  3. Die Sammelunterkunft Mühlengraben sollte in ihrer jetzigen Form aufgelöst und die Menschen dezentral untergebracht werden.
  4. Das Hilfssystem zur Vermeidung von Zwangsräumungen muss verbessert werden.
  5. Nach Beschluss einer Zweckentfremdungssatzung (s.o) sollten leerstehende Wohnungen erfasst und ihre Eigentümer unter Androhung eines Bußgeldes aufgefordert werden, die Wohnungen an Bedürftige zu vermieten.
  6. Im Zweifel muss leerstehender Wohnraum auch für die Einweisung von Wohnungslosen oder Räumungsbetroffenen beschlagnahmt werden.

8.      Bessere Koordination
der kommunalen Wohnungspolitik

Dass die Zuständigkeit für die Wohnungspolitik in Witten über mehrere Ämter und drei Dezernate verteilt ist, stellt ein Hindernis für eine konzeptionelle Neuaufstellung dar. Die strategische Planung sollte in einer eigenen Verwaltungseinheit gebündelt und außerdem mit genügend operativer Kompetenz ausgestattet werden. Zu prüfen wäre die Schaffung eines Amtes für Wohnungsversorgung und Quartiersentwicklung im Planungs- oder Sozialdezernat, dem Bereiche aus der jetzigen Sozialverwaltung, der Stadtplanung, Liegenschaftsverwaltung und dem Bodenmanagement zugeordnet wären. Dieser Verwaltungseinheit könnte auch die Aufgaben einer zentralen Fachstelle zur Wohnungsnotfallhilfe übernehmen.

Ebenso wichtig wie die Koordination innerhalb der Stadtverwaltung ist die Vernetzung mit der Zivilgesellschaft und den Trägern der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft, In diesem Sinne haben wir die Idee der Einrichtung eines „runden Tisches nachhaltige Wohnungsversorgung“ angeregt, die bei Wohlfahrtsverbänden und in der Stadtverwaltung auf ein positives Echo stieß.

Unsere Erwartungen an die nächste Wahlperiode:

  1. Es soll in der Stadtverwaltung eine Verwaltungseinheit geschaffen werden, in der die Aufgaben des sozialen Wohnungswesens (Wohnungsbau und Wohnungsbestand) gebündelt sind.
  2. Bis Ende 2020 soll ein „runder Tisch nachhaltige Wohnungsversorgung“ eingerichtet werden. Zu den TeilnehmerInnen sollen VertreterInnen von Rat und Verwaltung der Stadt Witten, der MieterInnenverein, Wohlfahrtsverbände, soziale Einrichtungen und Beratungsstellen und lokale Wohnungswirtschaft gehören. Er sollte offiziell von der Stadt einberufen, aber extern modereiert werden. Zu seinen Aufgaben sollen zähen: lokales Monitoring (Wohnungsbedarfe, Versorgungsmängel und Fehlentwicklungen frühzeitig erkennen; Hilfesystem und Schnittstellen überprüfen und Verbesserungen vorschlagen), Entwicklung von Vorschlägen zur Angebotsverbesserung (auch zum Unterbringungskonzept und zur Wohnungsnotfallhilfen) Entwicklung von Kriterien für die soziale und nachhaltige Bewirtschaftung und Erneuerung/Ergänzung des Wohnungsbestandes.

 

9.      Sozialleistungen und Wohnen

Im Rahmen der Leistungen nach SGB II und SGB XII werden neben der Grundsicherung auch die Aufwendungen der Unterkunft und der Heizung übernommen. Dies geschieht auf Dauer und in der Regel jedoch nur bis zu Richtwerten für „angemessene“ Bruttokaltmieten und Heizkoste. Diese Richtwerte werden vom Kreis auf der Grundlage einer Erhebung zu den Angebotsmieten im unteren Bereich festgesetzt und auch von der Stadt für die Fälle nach SGB XII angewandt. Kalte Nebenkosten sind in pauschalierter Höhe Teil der Kalkulation der Richtwerte.

Wenn die Wohnkosten diese Richtwerte überschreiten, werden die LeistungsbezieherInnen aufgefordert, die Kosten zu senken. Nach 6 Monaten erfolgt in der Regel eine Kürzung der Leistungen auf den „angemessenen“ Betrag (wegen Corona war dieses Vorgehen für 6 Monate ausgesetzt).  Dies führt zu Verdrängung aus den bisherigen Wohnungen. Da es vielen Menschen erfahrungsgemäß nicht gelingt, eine für sie akzeptable günstigere Wohnung zu finden, nehmen sie die Kürzungen in Kauf, was zu weiterer Verarmung führt oder die Menschen in die Schattenökonomie drängt.

Der EN-Ruhr-Kreis setzt die Richtwerte alle zwei Jahre neu fest. Bei der letzten Festsetzung zum 1.7.2020 wurden die Richtwerte für Witten in nicht ganz unerheblichem Umfang erhöht. Das führt in Einzelfällen zu Erleichterungen. Zu begrüßen ist auch eine Änderung, wonach die Mieten in angemessen großen Sozialwohnungen immer angemessen sind, auch wenn sie die Obergrenzen überschreiten.

Nach wie vor liegen aber die Richtwerte vor allem für energetisch modernisierte freifinanzierte Wohnungen – auch Wohnungen gemeinnütziger Unternehmen, die auf Unternehmensebene Kostenmieten kalkulieren – zu niedrig. Als Folge werden MieterInnen nach Modernisierungen verdrängt. LeistungsbezieherInnen wird die Möglichkeit genommen, in Wohnungen mit bessren energetischen Standards umzuziehen.

Das Vorurteil, dass LeistungsbezieherInnen grundsätzlich ihre Mieterechte nicht wahrnehmen, können wir als MieterInnenverein nicht bestätigen. Wir haben viele Mitglieder mit Leistungsbezug, die die (für sie ermäßigten, d,h. von den anderen Mitgliedern subventionierten) Mitgliedsbeiträge aus der eigenen Tasche zahlen, obwohl Erfolge, die sie durch eine Wahrnehmung ihrer Rechte erzielen, oft nur dazu führen, dass sie die öffentlichen Haushalte von Mieterhöhungen oder hohen Nebenkostennachzahlungen entlasten. Im Zweifel tragen Sie auch das – ggf. hohe – Prozesskostenrisiko zur Hälfte, denn eine zusätzliche Mietrechtschutzversicherung können sie sich nicht leisten. Dies schwächt die Rechtposition der MieterInnen mit Sozialleistungsbezug, zu ihrem Nachteil, zum Nachteil der gesamten Mieterschaften und der kommunalen Haushalte.

Aus diesen Gründen werden in vielen Städten und Kreisen die Mitgliedsbeiträge von LeistungsbezieherInnen in Mietervereinen von den JobCentern und Sozialämtern als Teil der Kosten der Unterkunft übernommen[5]. Auch die Landesregierung empfiehlt derartige Kostenübernahmen, zumindest bei MieterInnen von Problemimmobilien[6]. Im Ennepe-Ruhr-Keris erfolgen solche Kostenübernahmen jedoch allenfalls im individuellen Ausnahmefall.

Erwartungen:      

  1. Auch in Witten soll bei den Kosten der Unterkunft ein „Klimabonus“ eigeführt werden: Energetisch modernisierte Wohnungen dürfen teurer sein (pro m² mindestens 0,50 €) als nicht modernisierte Wohnungen. Der höheren Grundmieten werden zumindest zum Teil durch niedrigere Heizkosten aufgewogen. Ein solche Regelung existiert zum Beispiel in Dortmund
  2. Die vom Kreis festgesetzten Richtwerte müssen gewährleisten, dass im Falle von Kostensenkungsverfahren/Umzugsaufforderungen lokal übliche Wohnungen angemessener Größe tatsächlich von den Betroffenen in entsprechender Quantität angemietet werden können, ohne dass es zu Verdrängungen aus bisherigen Stadtteilen und Lebensbezügen oder Diskriminierungen kommt. Das bisherige „schlüssige Konzept“ zur Festsetzung der Richtwerte sieht einen solchen quantitativen Abgleich zwischen der Zahl der von Kostensenkungen Betroffen und der Zahl der zu den festgesetzten Personen verfügbaren Wohnungen nicht vor.
  3.  Bei der Festsetzung der Nebenkosten-Pauschalen sind lokale. vermieter- und zielgruppenspezifische Besonderheiten beachten, die in den Durchschnittswerten der Betriebskostenspiegel nicht abgebildet werden, zum Beispiel die besonders hohen Grundsteuern in Witten oder die Gartenpflegekosten bei Wohnanlagen mit viel Abstandsgrün. Vor allem bei Großvermietern sollte geprüft werden, ob die Nebenkosten nicht über den Durxsnittswerten liegen.
  4. Vor einer Kürzung der Bezüge soll die Behörde zunächst von sich aus prüfen, ob zu den Angemessenheitsgrenzen persönlich angemessener Wohnraum diskriminierungsfrei zur Verfügung steht.
  5. Es sollen für LeistungsbezieherInnen die Mitgliedbeiträgen in den Mietervereinen übernommen werden, damit diese Mieterhöhungen und Nebenkosten überprüfen und gegen Wohnungsmängel vorgehen. Es sollen die Mitgliedsbeiträge incl. Gruppenrechtschutzversicherungen übernommen werden.
  6. Es sollte in regelmäßigen Abständen zwischen Mieterorganisationen und Jobcenter sowie dem Amt für Wohnen und Soziales ein Erfahrungs- und Informationsaustausch zu häufigen mietrechtlichen Fragen von Leistungsbezug stattfinden.

 

ANMERKUNGEN

[1] Siehe u.a.: „Das sollte die Stadt Witten zur Begrenzung des Mietenanstiegs tun“, 22.6.2017, https://www.mvwit.de/das-sollte-die-stadt-witten-zur-begrenzung-des-mietenanstiegs-tun/; „Mehr gute und bezahlbare Mietwohnungen für Witten“, 22.3.2017 https://www.mvwit.de/mehr-gute-und-bezahlbare-mietwohnungen-fuer-witten/; „Modernisierung: Mieterverein stellt „Bürgerantrag“ an die Stadt Witten“, 20.12.2017 https://www.mvwit.de/modernisierung-buergerantrag/; „Kommunale Wohnraumversorgungspolitik in Witten weiter ohne Konzept“, 6.9.2018 https://www.mvwit.de/kommunale-wohnungspolitik-in-witten-weiter-ohne-konzept/, „MieterInnenverein fordert Wohnungsamt“, 26.11.2018 https://www.mvwit.de/mieterinnenverein-fordert-wohnungsamt/ ; „Für eine starke kommunale Wohnungswirtschaft!“, 7.10.2019 https://www.mvwit.de/fuer-eine-starke-kommunale-wohnungswirtschaft/

[2] Siehe https://www.witten.de/planen-bauen-wohnen/wohnen/wohnungsmarkt-beobachtung/handlungskonzept-wohnen

[3] Siehe dazu „Kommunale Wohnraumversorgungspolitik in Witten weiter ohne Konzept“ 6. September 2018
https://www.mvwit.de/kommunale-wohnungspolitik-in-witten-weiter-ohne-konzept

 

[4]

[5] Zur Rechtgrundlage siehe BSG, Urteil vom 24.11.2011, Az.: B 14 AS 15/11 R.

[6] Arbeitshilfe: Bedarfe für Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II. 6. Auflage. MAGS 2013, S. 98, https://www.mags.nrw/grundsicherung-arbeitshilfen