Richterin muss 1200 Seiten prüfen. Prozess zu Vonovia-Abrechnungen beim Amtsgericht Witten

|Update| Nach längeren Verzögerungen fand heute vor dem Amtsgericht Witten der zweite Verhandlungstag im Rechtsstreit unserer Mitglieder, der Eheleute M. (Witten-Heven) gegen die Vonovia (hier ihre Tochtergesellschaft MIRA Grundstücksgesellschaft mbH) statt (Az. 2 C 377 / 20). In dem Verfahren geht es um die Wirksamkeit und Prüffähigkeit von Mieterhöhungen nach instandsetzenden Modernsierungen, den Nachweis von Nebenkosten sowie Wohnungsmängel und Mietminderungen, – alles Fragen, die für die Vonovia und ihre MieterInnen über den Einzelfall hinaus grundsätzliche Bedeutung haben. Die gegenseitigen Schriftsätze und ihre Anlagen sollen inzwischen auf über 1200 Seiten angewachsen sein. Ein Urteil wird frühestens im Dezember erwartet. Danach wird mit einem Berufungsverfahren  gerechnet.

Im Vorfeld der Verhandlung hatten sowohl die Vonovia als auch die Rechtsvertretung der MieterInnen dem Gericht diverse Urteile zu den Anforderungen an die formelle Wirksamkeit von Modernisierungs-Mieterhöhungen durch die Vonovia übersandt. Die Mieterseite beruft sich auf Urteile der Landgerichte Bremen, Hamburg, Berlin und Stuttgart. Diese haben Modernisierungs-Mieterhöhungen der Vonovia in vielen Fällen unter anderem deshalb für formell unwirksam erklärt, weil sie die Kosten der einzelnen Handwerksleistungen nicht differenziert genug aufschlüsseln. Die Vonovia hat dagegen Urteile aus Bonn, Münster und Mannheim angeführt, die die Mieterhöhungen für wirksam erklärten. Diese Urteile gehen allerdings kaum auf die zahlreichen rechtlichen Gründe ein, die gegen die formelle Wirksamkeit sprechen. Dazu zählt auch, dass die Vonovia in ihren Mieterhöhungskalkulationen nicht angibt, wie sie den „fiktiven Instandhaltungsanteil“ bei der instandsetzenden Modernisierung alter Bauteile ermittelt.

Die Wittener Richterin sah sich im heutigen Gerichtsprozess außer Stande,  die  widerstreitenden Rechtsmeinungen zu bewerten. Eine Klärung sei auch nicht innerhalb von drei Wochen zu erwarten.

Der MieterInnenverein Witten hofft, dass das Gericht bei der weiteren Lektüre der Akte nicht bei der Frage der formellen Wirksamkeit der Mieterhöhung stehen bleibt. Unser Hauptargument richtet sich hier, wie auch bei den Nebenkostenabrechnungen, nicht auf Formfehler. Sie richtet sich darauf, dass die Vonovia bei so gut wie keiner Rechnungsposition die Richtigkeit nachweisen kann.

Als „Belege“ übersandte die Gegenseite Hunderte von Seiten Rechnungs-, Vertrags- und Buchungsausdrucke, die allesamt aus der Datenbank des Konzerns erzeugt wurden und schon deshalb von den MieterInnen grundsätzlich nicht überprüft werden können. Zuletzt übersandte die Vonovia für mehrere Jahre „Zallungsnachweise“, die nur aus Ausdrucken  ihrer Buchungstabellen bestehen. Es war nicht ein einziger Überweisungsbeleg auf Bankkonten enthaten!  Bei den von dem MieterInnenverein gleichwohl unternommenen Detailuntersuchungen dieser „Belege“ zeigen sich immer wieder neue Unstimmigkeiten zwischen den Datensätzen, die nur damit zu erklären sind, dass es sich lediglich um von der Vonovia mit vielen Zahlen bedrucktes Papier, nicht aber um die Nachweise der tatsächlichen Kosten des Personals oder der Lieferungen handelt.

Der MieterInnenverein Witten und die mit ihm im „VoNO!via-MieterInnenbündnis“ zusammenarbeitenden Organisationen werfen der Vonovia vor, in ihren an sich selbstausgestellten und nicht prüffähigen Rechnungen hohe Konzerngewinne zu verbergen, die sie eigentlich nicht auf die Mieter umlegen dürfen. Aus dem Vonovia-Geschäftsbericht 2020 ergeben sich über 145 Mio. Euro operative Überschüsse aus derartigen „Insichgeschäften“.

Abgesehen von den Abrechnungen geht es in diesem Prozess auch um die miese Planung und Bauausführung der Vonovia. Weit über ein Jahr lang mussten die MieterInnen für diese Modernisierung Lärm, Dreck und Gerüste aushalten. Die Vonovia wollte sie dafür mir einer „Abfindung“ von ursprünglich nur 500 Euro abspeisen. Die tatsächliche Mietminderung und auch der zusätzliche Putzaufwand waren und sind viel höher.

Die angebliche Wärmedämmung des Kellers weist große Lücken auf, – eine Tatsache, die auch das Vonovia-Vorstandsmitglied Fittkau bei einem Ortstermin zur Kenntnis nahm. Ausgebessert wurden diese Kältebrücken trotzdem nicht. Die schlechte Planung der Modernisierung führte auch dazu, dass die Mieter durch den Vordereingang kaum noch ein Fahrrad in den Keller transportieren können. Zugleich wurde die neue Hintertreppe zum Keller so eng ausgelegt, dass Unfallgefahr besteht. Der tiefe Treppenschacht wurde  mit einem hohen Zaun umgeben, der bis weit auf die Höhe des Wohnzimmerfensters der Mieter hineinreicht.

Die Richterin zeigte trotz der offensichtlichen Nachteile wenig Verständnis dafür, dass die MieterInnen von einer Mietminderung ausgehen. Wir hoffen, dass sie diese Meinung noch korrigiert. Schließlich haben die Mieterinnen eine Wohnung mit leichter nutzbaren Treppen und ohne Gitterpfeiler im Fenster angemietet.

Bei der von den Mietern erhobenen Zahlungsklage in Höhe von ca. 4.300 Euro spielen die Mietminderungen eine ehebliche Rolle. Die Gegenseite hat ihre Forderung, die ursprünglich 900 Euro betrug, bei der heutugen Verhandlung weiter korrigiert. Die Vonovia fordert nur noch etwa 3030 Euro. Sie „verzichtete“ dafür auf die Umlage von Gebühren für einen Kabelanschluss, über den die Wohnung gar nicht verfügt. Und sie verrechnete nicht ausgezahlte Mieter-Guthaben aus Abrechnungen, die gar nicht Gegenstand des gerichtlichen Streits sind. Hier werden die Mieter natürlich ihre Rechte wahrnehmen und die – tatsächlich wesentlich höheren – Guthaben von den laufenden Zahlungen abziehen.

Die Vonovia nennt die Praxis, die von ihr eingeräumten „Guthaben“ der MieterInnen mit unbegründeten Gegenforderungen zu verrechnen „Mieterkonto“. Wir können ebenso „großzügig“ sein und der Vonovia ein „Vermieterkonto“ einrichten, in das wir alle Forderungen der Mieter eintragen.  Da kommen über die Jahre  sicherlich kleine Vermögen zusammen. Wir dürfen nur nicht vergessen, die Fordrungen bis zum Eintritt der Verjährung auch einzubehaten oder gerichtlch geltend zu machen.