Bundesweites Bündnis organisiert Prüfung der Nebenkosten
Das bundesweite VoNO!via-MieterInnenbündnis hat heute in mehreren Städtenauf die völlig intransparenten Nebenkostenabrechnungen der Vonovia aufmerksam gemacht. Die Abrechnungen werden zu großen Teilen mit vom Konzern selbst angefertigten Rechnungen, Verträgen und Buchungen gerechtfertigt. Diese können von den MieterInnen nicht auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Es ist davon auszugehen, dass die Abrechnungen in hohem Umfang nicht offengelegte Konzerngewinne enthalten. Hinzu kommen zahlreiche Einzel-Fehler. „Bis auf wenige Sonderfälle ist keine der von uns überprüften Nebenkostenabrechnungen in Ordnung“, stellt das VoNO!via-MieterInnenbündnis fest. Das Bündnis hat mit dem Aufbau einer bundesweiten Unterstützungsstruktur zur Überprüfung der Abrechnungen begonnen.
Nach den bestehenden rechtlichen Bestimmungen (Rechenschaftspflicht nach § 259 BGB) können MieterInnen von ihren VermieterInnen die Einsichtnahme in die Rechnungen, Verträge und Zahlungsbelege verlangen, die der Betriebskostenabrechnung zu Grunde liegen. Dadurch wird die Richtigkeit der Abrechnung belegt. Nur nachgewiesene Kosten dürfen auf die MieterInnen umgelegt werden.
„Wie wir in unserem Bündnis von Kiel bis München und von Köln bis Dresden festgestellt haben, übersendet die Vonovia auf Anfrage zwar gern jede Menge Papier. Dieses Papier ist für die Überprüfung der tatsächlichen Kosten aber zu großen Teilen wertlos“, sagt Manfred Grimm aus Köln. Die Vonovia habe in keinem dem Bündnis bekannten gewordenen Fall die prüffähigen Rechnungen der tatsächlichen, dem Konzern entstandenen Kosten, die zugehörigen Verträge und die Nachweise der tatsächlichen Zahlung der umgelegten Kosten komplett vorgelegt. Nach Ansicht des Bündnisses fehlt wegen dieser drei wesentlichen „Mängel“ (es gibt noch viele kleinere mehr) seit Jahren der erforderliche Nachweis der abgerechneten Kosten in den Betriebs- oder Heizkostenabrechnung der Vonovia.
„Wenn die MieterInnen ihre Betriebs- und Heizkostenabrechnungen überprüfen wollen und deshalb, wie gesetzlich vorgesehen, die Einsichtnahme in die originalen Kostenbelege fordern, schickt die Vonovia ihnen überall in Deutschland lediglich Rechnungs-Ausdrucke aus ihrer Datenbank zu. Zu großen Teilen stammen die Rechnungen zudem von Tochterunternehmen der Vonovia. Eventuell darin verborgene Gewinne fließen also dem Konzern der Vermieterin zu“, berichtet Knut Unger, Sprecher des MieterInnenvereins Witten.[1] „Nur wenn man konsequent darauf beharrt, erhält man zu den selbsterstellten Rechnungsausdrucken der Vonovia irgendwann vielleicht auch den ein oder anderen – oft ebenso selbst ausgestellten – Vertrag. Oft ist der dann auch noch unwirksam oder unvollständig. In keinem mir bekannten Fall geben die übersandten Unterlagen verlässlich Auskunft über die Kosten, die dem Vermietungskonzern für die abgerechneten Leistungen tatsächlich entstanden sind.“
Mieter stellen bundesweit Abrechnungsfehler fest
MieterInnen werden auf die Mängel der Vonovia-Belege meist dadurch aufmerksam, dass ihnen Details in ihren Abrechnungen unzutreffend erscheinen. So halten Mieter in Witten-Annen seit Jahren akribisch fest, wie oft im Winter der Schnee geräumt wird und staunen immer wieder, dass ihnen die Vermieterin weit mehr berechnet. Wie die Vonovia die Einsätze prüft und erfasst, ist völlig unklar. Es gibt nicht einmal eine vollständige Leistungsbeschreibung. In Hamburg-Steilshoop erklärt Klaudia Krummereich von der Mieterinitiative Steilshoop: „Es werden Aufzugskosten angesetzt, wo es gar keinen Aufzug gibt.“
In zahlreichen Städten bezweifeln MieterInnen, dass es bei den abgerechneten Hausmeisterkosten mit rechten Dingen zugeht. Der angebliche Hausmeister wird im Haus oft kaum gesehen, ihm gemeldete Mängel werden nicht beseitigt und die langen Listen, die die Vonovia zu den angeblichen Aufgaben ihrer „Objektbetreuer“ verschickt, stimmen mit den tatsächlichen Verhältnissen vor Ort nicht überein. Rechnet man die Mieterumlagen auf die Anzahl der angeblich betreuten Wohnungen hoch, ergeben sich erstaunlich hohe Kosten, die sicherlich nicht den Einkommen der Hausmeister entsprechen. Die Verträge der konzerneigenen Hausmeisterorganisationen enthalten keine Angaben über die vereinbarten Kosten und Preise. Dies hat dazu geführt, dass ein Münchener Mieter bis vor den Bundesgerichtshof zieht, um Einsichtnahme in die Personalkosten des Hausmeisters zu erhalten. Das Urteil steht noch aus. In Dresden mussten die Anwälte der Vonovia passen und in einem Fall zugestehen, dass die vom Gericht verlangten Kosten-Nachweise nicht existieren.
Mietern in Kiel sind zahlreiche Fehler bei der gesetzlich vorgeschriebenen Verteilung der Heizkosten aufgefallen. Dazu, dass die Vonovia diese Fehler korrigiert, hat das nicht geführt. „Auch bei uns in Dresden werden selbst offensichtliche Berechnungsfehler auch nach 12 Monaten noch geleugnet“, sagt Dietmar Leuthold vom Netzwerk Vonovia-Mieter Dresden.
Keine Antwort von Rolf Buch
All diese Erfahrungen haben dazu geführt, dass aufmerksame Vonovia-MieterInnen schon längst nicht mehr daran glauben, dass es sich um zufällige Einzelfehler handelt. Das Schlagwort von „System Vonovia“ macht die Runde. An mehreren Orten haben sich MieterInnen an die Staatsanwälte gewandt, ohne dass das bislang zu irgendwelchen Ergebnissen geführt hat. All diese Erfahrungen waren ausschlaggebend dafür, dass sich im letzten Winter mehrere Mieterorganisationen zusammentaten, um ihr Vorgehen bei der Überprüfung der Abrechnungen zu bündeln. Das von ihnen gegründete „VoNO!via-MieterInnenbündnis wandte sich Ende Februar in einem ausführlichen Offenen Brief an den Vorstand der Vonovia. Eine Antwort von Rolf Buch steht bis heute aus.
Konzern kann tatsächliche Zahlungen nicht belegen
Knut Unger aus Witten verfolgt schon länger die Spur eines gewinnbringende „Systems Vonovia“. Seit einigen Monaten hat er einen Grund mehr dafür, keiner Abrechnung der Vonovia zu trauen: Nachdem der Bundesgerichtshof im letzten Dezember entschieden hatte, dass sich das Belegeinsichtsrecht der MieterInnen auch auf die Nachweise der tatsächlichen Zahlung der jeweiligen Rechnungsbeträge bezieht, hat der MieterInnenverein Witten für alle seine Mitglieder die Vorlage der Bankauszüge über die Zahlungen verlangt. Erhalten hat er Tausende von Seiten mit Tabellenausdrucken aus dem Buchungssystem der Vonovia. Diesen ist allenfalls zu entnehmen, dass der Konzern Buchungen in seine Datenbank eingetragen hat. In keinem Fall aber liegt der Nachweis (Quittung, Bankauszug) einer tatsächlichen Zahlung vor. Unger: „Dass uns der Vermieter mit dieser Papierflut foppen will, hat noch einmal bestätigt: Da ist etwas faul im Staate Vonovia. Bei keiner Nebenkostenabrechnung will oder kann dieser Konzern die Richtigkeit seiner Abrechnung belegen. Keine Mietpartei sollte Forderungen, die sich aus diesen undurchsichtigen Zahlenzusammenstellungen ergeben vorbehaltlos akzeptieren.“ [1]
Dreistellige Gewinne aus konzerninternen Abrechnungen
Das VoNO!via-MieterInnennbündnis geht davon aus, dass die Vonovia in ihren Abrechnungen hohe Gewinne und andere nicht umlagefähige Beträge verbirgt. Der Geschäftsbericht 2020 wies einen Überschuss („adjusted EBITDA Value-add“) von über 145 Mio. Euro für konzernintern vergebene Leistungen aus (Geschäftsbericht 2020, S.100). Ein erheblicher Teil davon entfällt auf Modernisierungsmaßnahmen, ein anderer aber auch auf die Nebenkosten. „Für die Vonovia ist die gewinnbringende Verrechnung konzerninterner Leistungen und ihre Umlage auf die Mietenden ein wichtiger Bestandteil der Geschäftsstrategie“, erklärt Knut Unger, der auch kritischer Aktionär bei der Vonovia ist. Schon heute trage der interne Anteil an dem ‚Value Add‘ (etwa: „zusätzlich Wertschöpfung“) genannten Geschäftssegment 8% zum operativen Konzernergebnis bei. Vor Anlegern und Analysten prahle die Vonovia regelmäßig mit dem Wachstumspotenzial in diesem Bereich, etwa bei der Energieversorgung.
Rechtzeitig Einwendungen erheben!
Um die weitere Umlage unnötiger Nebenkosten auf die Mietenden zu unterbinden, fordert das VoNO!via-Bündnis alle Vonovia-MieterInnen auf, gegen die Abrechnungen rechtzeitig (innerhalb von 12 Monaten nach Zugang) Einwendungen zu erheben und die Einsichtnahme in die dafür erforderlichen Unterlagen zu verlangen. Das Bündnis unterstützt MieterInnen, die sich in ihren Nachbarschaften organisieren möchten und lädt alle Interessierten ein, sich dem Bündnis anzuschließen.
Für MieterInnen, die sich zu Hausgemeinschaften und Initiativen zusammenschließen, hat das Bündnis Musterschreiben zur Anforderungen der Kostennachweise und für die Standard-Einwendungen zu den Standard-„Belegen“ erarbeitet. Diese sind unter vonovia.mieterinnenrat.de im Web abrufbar.
Die Mietervereine Dortmund, Hamburg und Witten nicht mitgerechnet haben bislang knapp 300 Mietparteien mit Hilfe dieser Musterschreiben Einwendungen gegen die Abrechnungen erhoben. In einer Siedlung in Köln-Bayenthal waren es bisher 59. „Dies ist natürlich nur ein bescheidener Anfang“, sagt Rolf Bosse vom Mieterverein zu Hamburg. „Aber wir hoffen, dass das Beispiel Schule macht und sich uns vor allem auch mehr große Mietervereine anschließen, damit wir die für diese Megaaufgabe erforderliche Infrastruktur aufbauen können.“ Zugleich laufen in Witten Gerichtsverfahren[2], in denen es zentral um die unzureichende Prüffähigkeit der Betriebskostenabrechnungen, aber auch der Modernisierungsmieterhöhungen geht. Zu Einzelfragen sind zudem mehrere Verfahren vor dem Bundesgerichtshof[3] anhängig.
Frankfurter Mieter zeigen Alternative auf
Einen möglichen Ausweg aus dem Abrechnungsstreit zeigen MieterInnen eines Wohnblocks an der Wallauer Straße in Frankfurt auf. Sie schlagen vor, die Aufgaben der sogenannten Objektbetreuung, der Sperrmüllentsorgung, des Müllmanagements, der Gartenpflege und des Winterdienstes in gemeinschaftlicher Eigenregie zu übernehmen und offiziell einen Nachbarn gegen Mietverzicht mit der Erledigung zu beauftragen. Dadurch können nach ihren Schätzungen die Betriebskosten um knapp ein Viertel gesenkt werden. „Wenn der Hausmeisterservice in den Händen der Mieter liegt, spart das Kosten und bringt einen besseren und einen schnelleren Service“, sagt Michael Martis, der Sprecher der Nachbarschaft.
Mietervereine Dortmund und Witten helfen
Die Vonovia-MieterInnen im Organisationsgebiet der Mietervereine Dortmund und Witten können sich direkt an deren Geschäftsstellen wenden, um die erforderlichen Schreiben zu den aktuellen Betriebskostenabrechnungen zu veranlassen. Das setzt allerdings den Beitritt zu den Mitgliedsorganisationen voraus. „Wir unterstützen aber auch MieterInnen, die sich in ihrem Haus oder Block unabhängig von einer Mitgliedschaft selbst organisieren, um die Rechnungen der Vonovia zu überprüfen“, betont Markus Roeser von Mieterverein Dortmund. „Bei uns in Dortmund gibt es immerhin 20.000 Vonovia-Wohnungen. Wenn da die MieterInnen nicht auch selbst aktiv werden und sich in ihren Häusern zusammenschließen, können wir es gar nicht schaffen, alles zu prüfen.“ Die Mietervereine Dortmund und Witten beginnen in dieser Woche, Vonovia-MieterInnen in ihren Gebieten mit Flugblättern über die Initiative zu informieren.
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An der VoNO!via-Kampagne zur Überprüfung der Betriebskostenabrechnungen für die Jahre 2019 und/oder 2020 beteiligen sich zur Zeit:
Mieter-Netzwerk, www.mieter-netzwerk.de, Stettiner Platz 5, 24159 Kiel,
Email: kontakt<at>mieter-netzwerk.de, Peter Schmuhl, Tel. 0174/9160811
Mietergemeinschaft Hermsdorfer Straße 7, Dresden, Dietmar Leuthold, Email: mghds7<at>gmx.de
Mietergemeinschaft Johannes-Palm-Straße, Ulm, Hans-Peter Zagermann,
Email: hpzagermann<at>web.de
Mietergewerkschaft Frankfurt a.M., Email: mietergewerkschaft.ffm<at>gmail.com, Daniel Katzenmaier, Tel. 069/9150-8981
Mieterinitiative Wallauer Straße, Michael Martis, Wallauer Straße 6a, 60326 Frankfurt,
Email: michael_martis<at>web.de
Mieterinitiative Steilshoop, Hamburg, Email: mieterini.steilshoop<at>mailbox.org,
Günter Wolff, Tel. 040/63648494
MieterInnenverein Witten u. Umg. e.V. , Schillerstr. 13, 58452 Witten, www.mvwit.de,
Email: kollektiv<at>mvwit.de, Tel. 02302/51793
Mieternetzwerk Mainz-Kastel, Email: mieternetzwerk-mainz-kastel<at>web.de
Mieterverein Dortmund und Umgebung e.V., Kampstraße 4, 44137 Dortmund, www.mieterverein-dortmund.de, Email: Markus.Roeser<at>mieterverein-dortmund.de,
Tel. 0231/55765636
Mieterverein zu Hamburg von 1890 r.V., Beim Strohhause 20, 20097 Hamburg, www.mieterverein-hamburg.de, Rolf Bosse, R.Bosse<at>Mieterverein-hamburg.de, Tel. 0162/1325110
Netzwerk Vonovia-Mieter Dresden, Email: netzwerk.vonovia-mieter-dresden<at>freenet.de
Vonovia Mieterinitiative Köln-Bayenthal, Manfred Grimm, grimm_manfred<at>gmx.de, Tel: 0221/3115 27
Vonovia Mieterinitiative Region Stuttgart , Email: Info<at>mieterinitiativen-stuttgart.de, Ursel Beck, Tel. 0157/87404684
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[1] vergl. LG Dresden 4 S 271/20, 4 S 286/20 und LG München I 31 S 7015/19 „Gefahr des Interessenkonflikts“
[2] AG Witten 1 C 475/19 und 2 C 377/20
[3] BGH VIII ZR 150/20, VIII ZR 102/21 und die Revision auf LG Dresden 4 S 286/20
2 Gedanken zu “Da ist etwas faul im Staate Vonovia”
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