Vonovia-Mieter halten Zahlungen zurück

Mieterverein prüft Belege für Mieterhöhungen nach Modernisierung

Etwa 20 modernisierungsbetroffene Vonovia-MieterInnen in Witten-Heven und einzelne weitere MieterInnen an anderen Standorten haben den MieterInnenverein Witten beauftragt, die Begründungen der Mieterhöhungen, also die Baukosten, umfassend zu überprüfen. Bis zum Abschluss der Überprüfungen halten sie die verlangten Mieterhöhungen zurück oder zahlen sie nur unter Vorbehalt.

Nach dem derzeitigen Stand der Prüfungen hält der MieterInnenverein die Modernisierungs-Mieterhöhungen der VONOVIA  für nicht ausreichend belegt, sowie formell und inhaltlich fehlerhaft.  

UNZUREICHENDE BELEGE

Mieterhöhungen wegen Modernisierung müssen rechtlich mit den tatsächlich aufgewendeten Baukosten begründet sein. Kosten, die für eine Instandsetzung /Reparatur aufgewendet werden müssten, müssen davon abgezogen werden. Der Vermieter muss auf Verlangen des Mieters Einsicht in die originalen Kostenbelege gewähren, damit der Mieter die Richtigkeit der Abrechnung und die Umlagefähigkeit der Kostenpositionen überprüfen kann. Insoweit der Vermieter diese Belegeisicht verweigert, kann der Mieter die geforderte Mieterhöhung zurückbehalten.

Da die Vonovia sich weigerte, die in ihrem System abgespeicherten Rechnungsdaten und Vertragsscans elektronisch zu übermitteln, ist der Mieterverein gezwungen, in der Bochumer Konzernzentrale Einsichtnahme in die extra zu diesem Zweck angefertigten Ausdrucke der Datensätze und Scans zu nehmen. In zwei Sitzungen konnte inzwischen – unter Bewachung von mehreren Konzernmitarbeitern – ein Teil dieser in 22 Leitz-Ordnern abgehefteten Ausdrucke gesichtet und mit einem mitgebrachten Scanner erfasst werden. Weder die Sichtung, noch die Prüfung der Unterlagen ist abgeschlossen.

Klar ist aber schon jetzt:

  • Die Vonovia hat generell nicht die geforderten Originalverträge vorgelegt, sondern lediglich Ausdrucke vom Kostenaufstellungen und Scans.
  • Die Vonovia hat keinerlei prüffähige Belege für die hohen Baunebenkosten vorgelegt.
  • Die vorgelegten Unterlagen bestehen überwiegend aus Kostenaufstellungen der 100%igen Konzerntochter Vonovia Modernisierungs GmbH (oder einer neu aufgetretenen Vonovia Engineering GmbH) an die immobilienhaltende Objektgesellschaft Mira Grundstückgesellschaft mbH, die ebenfalls eine 100%ige Vonovia-Tochter ist. Obwohl wir dies im Vorfeld wiederholt gefordert hatten, wurden diese Abrechnungen in keinem Fall durch die Rechnungen der beauftragten Subunternehmen und Lieferanten oder durch Nachweise eigener Personalkosten belegt. Auch auf Nachfrage wurde die Vorlage derartiger Nachweise von Mitarbeitern verweigert.
  • Viele dieser Rechnungen beziehen sich auf „Kontrakte“ mit einer „Vonovia Operations GmbH“, die ebenfalls zu 100% zur Vonovia SE gehört. Zu dem rechtlichen Verhältnis der Vonovia Operations GmbH zur Objektgesellschaft/Vermieterin hat die Vonovia keinen Vertrag vorgelegt.
  • Die Vonovia hat nicht die mehrfach verlangten Nachweise über die Bauabnahmen oder andere Belege zur Durchführung der Maßnahmen vorgelegt. Damit kann nicht überprüft werden, dass die abgerechneten Maßnahmen überhaupt ordnungsgemäß ausgeführt wurden und kosten- und mieterhöhungswirksam sind.
  • Die Vonovia hat, abgesehen von standardmäßigen energiewirtschaftlichen Berechnungen, keinerlei Planungsunterlagen vorgelegt, mit denen die Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit der Einzelaufwendungen überprüft werden könnte. Es liegen keinerlei Ausschreibungen oder Kostenvergleiche vor, die es ermöglichen würden, die Üblichkeit der Kostenansätze für die Eigenleistungen des Vermietungskonzerns einzuschätzen.
  • Zum Beleg der vorgenommenen Instandhaltungsabzüge hat die Vonovia zum Teil Aufstellungen der fiktiven Reparaturkosten vorgelegt. Diese stammen von Firmen, die mit der Durchführung der Modernisierungen beauftragt waren, zumeist konzernangehörige Firmen. Es handelt sich mithin um interessebeeinflusste Kostenansätze. Die in den Mieterhöhungskalkulationen angegeben Gutachten und Bestandsaufnahmen zum Erhaltungszustand der einzelnen Bauteile vor der Modernisierung hat die Vonovia nicht vorgelegt.

Bislang gibt es keine Zusage der VONOVIA, dass sie diese grundsätzlichen Lücken und Mängel ihrer Rechnungslegung beheben will. Wenn das so bleibt, sind die Mieterhöhungen nach Ansicht des MieterInnenvereins Witten nicht begründet. Denn für die tatsächliche Höhe und Notwendigkeit der Baukosten ist die VONOVIA beleg- und beweispflichtig.

FORMELLE MÄNGEL DER MIETERHÖHUNGEN

Formelle Mängel der Mieterhöhung liegen vor, wenn das Mieterhöhungsschreiben selbst nicht die von Gesetz geforderten Mindestangaben enthält. Der Mieter sollte die Berechtigung der Mieterhöhung wenigstens überschlägig bereits anhand am Mieterhöhungsschreiben überprüfen können. Die Rechtsprechung in dieser Frage ist leider uneinheitlich. Der BGH will grundsätzlich nicht zu hohe Anforderungen an die Mieterhöhung stellen. Einige Gerichte – so in Bremen und Hamburg – haben Mieterhöhungsschreiben der Vonovia aber wiederholt für unwirksam erklärt. Eine unwirksame Mieterhöhungserklärung führt dazu, dass die Mieterhöhung nichtig ist und gar nicht bezahlt werden muss.

Die wichtigsten Kritikpunkte an der Form der Mieterhöhungen in Witten-Heven sind:

  • Die Kostenzusammenstellungen, die den Mieterhöhungen zu Grunde liegen, werden nicht nach Gewerken aufgeschlüsselt, so dass ohne umfassende Einsichtnahme in die Belege der Kosten ein Vergleich der Kosten nicht möglich ist.
  • Aufgrund der fehlenden Aufgliederung ist es außerdem unmöglich, die Höhe der jeweiligen Instandhaltungsanteile überschlägig zu überprüfen. Es lassen sich zum Beispiel bei den Kosten der Fassadendämmung nicht die Kosten für Gerüst und Anstrich von den mieterhöhungswirksamen Kosten für die Wärmedämmung unterscheiden.
  • Die gegenständliche Beschreibung des Ausgangszustandes der einzelnen Bauteile und ihrer Erneuerung ist unzureichend. Die Vonovia hat zwar Bauteilbeschreibungen beigefügt, diese entstammen aber einem standardisierten Modell, das alle objektspezifischen Besonderheiten außer Acht lässt. Mitteilungen über Mängel, Konstruktionsdetails und Wärmebrücken oder den tatsächlichen Erhaltungszustand der alten Bauteile erfolgen nicht.
  • Die Information über die angeblich zu erreichende Einsparung an Heizenergie und Heizkosten ist nicht nachvollziehbar. Die Methode der Ermittlung der Einsparung wird in der Mieterhöhung nicht mitgeteilt.

INHALTLICHE MÄNGEL

Auch wenn die Prüfungen noch nicht abgeschlossen sind, lassen sich bereits die folgenden inhaltliche Mängel der Mieterhöhungen feststellen.

•  Die Vonovia begründet ihre Mieterhöhungen unter anderem mit angeblichen Baunebenkosten, für deren tatsächliches Vorliegen sie keinerlei zulässigen Nachweis erbringen kann. Ihre Aufstellungen von angeblichen Honoraren für Architekten und Ingenieure sind rein kalkulatorisch. Sie entsprechen nicht den Kosten, die ihr intern für die standardisierten und automatisierten Planungsleistungen vielleicht tatsächlich angefallen sind. Die angeblichen Baunebenkosten sind nach unserem bisherigen Kenntnisstand insofern überwiegend vorgetäuscht.

  • Die von der Vonovia vorgelegten Aufstellungen von angeblichen Rechnungen der Vonovia Modernisierungs GmbH stellen nicht die tatsächlich angefallenen Kosten dar. Sie enthalten in einem unbekannten Umfang konzerninterne Gewinne, die für die Modernisierung nicht notwendig waren.
  • Der Instandsetzungsaufwand wurde unzureichend berücksichtigt. Bei den über 30 Jahre alten Fenstern wurde zum Beispiel nicht berücksichtigt, dass die Verbund-Fester zwischen den Scheiben nicht mehr luftdicht und Ersatzteile nicht mehr erhältlich waren.

MIETERHÖHUNG VOR GERICHT

Auch die Kosten des vorausgegangen Bauabschnitts in der Schulze-Delitzsch-Straße 17/19 hat die Vonovia nach wie vor unzureichend belegt. Bei der Heizungsmodernisierung war hier aufgefallen, dass Kosten für Arbeiten berechnet worden waren, die noch gar nicht abgeschlossen waren. Der Fall wurde in einem Fernsehbeitrag des „Team Wallraff“ dokumentiert. Daraufhin holte die Vonovia die unterlassenen Arbeiten in Nach-und-Nebel-Aktionen nach, korrigierte aber bis heute nicht die offensichtlich falschen Abrechnungen. Der MieterInnenverein befürchtet, dass derartige „Phantomabrechnungen“ kein Einzelfall sind. Offensichtlich finden oft keine ordnungsgemäßen Bauabnahmen statt, – obwohl die Vonovia auch dafür Baunebenkosten verlangt.

Ein Mieter aus der Schulze-Delitzsch-Straße 17/19 hielt monatelang die Mieterhöhung zurück, um die Vonovia zur korrekten Abrechnung zu bewegen. Als das nicht fruchtete, sah er sich zur Vermeidung möglicher Nachteile gezwungen, die Mieterhöhungen unter Vorbehalt zu zahlen und die Vonovia zu verklagen. Darauf reagierte die Vonovia mit einer Widerklage, in der sie neben der einbehaltenen Mieterhöhung auch die Zahlung von Betriebskostennachforderungen fordert. Diese hatte der Mieter ebenfalls aufgrund unzureichenden Belegs zurückbehalten. Die Anwältin des verklagten Mieters reagierte inzwischen mit einem umfangreichen Schriftsatz, in dem auf die unzureichenden Belege Bezug genommen wird. Damit scheint sich eine gerichtliche Klärung anzubahnen.