Stadt Witten will Mieterhöhungen um 5,9 Prozent ermöglichen

|Update 22.2.2025| In seiner Sitzung am 26. Februar soll der Sozialausschuss in Witten einer Erhöhung des Mietspiegels um 5,9 Prozent zustimmen. Die Anhebung beruht nicht auf einer statistischen Erhebung.  Aufgrund aktueller Erhebungs-Ergebnisse in den Nachbarstädten vermutet der  MieterInnenverein Witten, dass die Steigerung bei einer Stichprobe niedriger ausfallen würde.

Es ist davon auszugehen, dass vor allem die Mietpreistreiber unter den Vermietern, darunter Vonovia und LEG, die neuen Erhöhungsspielräume voll ausnutzen werden. Die neue Mieterhöhungswelle ist nach Ansicht des MieterInnenvereins Witten Ergebnis verfehlter Bundesgesetze. Die Stadt Witten könnte die Mieterhöhungen aber wahrscheinlich abmildern, wenn sie von der gesetzlichen Möglichkeit Gebrauch machen würde, für die Fortschreibung des Mietspiegels eine statistische Stichprobe durchzuführen.

 

Fortschreibung nach Stichprobe oder nach Index

Nach § 555d BGB musss ein qualifizierter Mietspiegel, wie er in Witten vorliegt, alle 4 Jahre auf der Grundlage einer statistischen Erhebung der in den letzten sechs Jahren erhöhten oder neu vereinbarten Mieten nach wissenschaftlichen Grundsätzen neu erstellt werden. Nach zwei Jahren ist der Mietspiegel fortzuschreiben. Dabei hat die Stadt zwei Möglichkeiten: Sie kann entweder eine statistische Stichprobe durchführen, um die reale Steigerung der Mieten in den letzten zwei Jahren zu ermitteln. Oder sie kann auf den Lebenshaltungskostenindex des statistischen Bundesamtes zurückgreifen. Diese zweite Möglichkeit hat die Stadtverwaltung gewählt. Nach dem Index sind die Lebenshaltungskosten in den letzten zwei Jahren um 5,9 Prozent gestiegen, also sollen auch die Mieten nun entsprechend steigen dürfen.

 

In Dortmund und Bochum sind die Steigerungen geringer

Die Alternative – eine statistische Stichprobe – hätte zu Kosten und Aufwand geführt, – bei offenem Ausgang. Die aktuellen Entwicklungen in den Nachbarstädten zeigen allerdings, dass bei einer Stichprobe eine niedrigere Steigerung wahrscheinlich gewesen wäre.

In Dortmund wurde für die Fortschreibung eine Stichprobe durchgeführt. Ergebnis: Die Steigerung betrug 5,02 Prozent über zwei Jahre, also knapp 1 Prozentpunkt weniger als jetzt in Witten. Wesentlich deutlicher ist der Unterschied zur Mietenentwicklung in Bochum. Dort wird gerade eine Neuerhebung der Mieten ausgewertet.  Wie der beteiligte Mieterverein Bochum jetzt noch einmal bestätigt hat, liegt die  durchschnittliche Steigerung der letzten zwei Jahre dort bei 3,75 Prozent.

Stadt Witten geht den bequemeren Weg

„Nach dem aktuellen Informationsstand zeigt sich, dass uns die Stadt Witten bei der Entscheidung für eine Stichprobe mit relativ großer Wahrscheinlichkeit einen Teil der jetzt zu erwartenden Mieterhöhungen erspart hätte“, sagt Knut Unger, Sprecher des MieterInnenvereins. „Die Stadt Witten geht lieber den bequemeren Weg. Zwar wäre die Strichprobenerhebung mit Kosten verbunden gewesen, aber immerhin zahlen die Wittener Mieter auch eine der höchten Grundsteuern im ganze Land.“

Nach den den Sitzungsterminen im Rathaus soll der Sozialausschus am 26. Februar die Erhöhungn des Mietspiegels absegnen. Es folgen der Haupt- und Finanzausschuss am 31. März  und der Stadtrat am 7. April.

Laut Verwaltungsvorlage  hat der „Arbeitskreis Mietspiegel“ dem Verwaltungsvorschlag einstimmig zugestimmt. Teilgenommen an der „Abstimmung“ hat aber nur die Vermieterseite. Für die einseitige Zustimmung durch die Vermieter gibt es keinerlei gesetzliche Grundlage, auch eine Zustimmung durch den   „Arbeitskreis Mietspiegel“  ist nach dem Gesetz nicht erforderlich.  „Die Stadtverwaltung scheint kaschieren zu wollen, dass sie ganz allein für die Entscheidung zu Gunsten der Index-Fortschreibung verantwortlich ist“,  sagt Unger. „Die Stadtverwaltung hat dem Arbeitskreis Mietspiegel nicht die Wahl gelassen, über die bessere Methode zu entscheiden. Die Fortschreibung nach Index wurde von ihr von Anfang an festgesetzt. Rechtlich ist das okay. Wir möchten auch nicht in der Haut der Stadt stecken. Sie muss jetzt aber allein für die Folgen gerade stehen.“

 

Mieterverein stimmt dem Mieterhöhungsinstrument nicht zu

„Die Organisation der MieterInnen stimmt ohne Not nicht einem Mieterhöhungsinstrument zu“, erklärt Unger „Denn um nichts anderes handle es sich bei einem Mietspiegel.“  Unger führt die Gründe auf:

Erstens beruht der Mietspiegel nur auf den Mieten, die in den letzten sechs Jahren erhöht oder bei der Wiedervermietung neu festgesetzt wurden. Nicht wenige Vermieter haben in den letzten Jahren die Mieten aber gar nicht oder nicht maximal angehoben. Manche Vermieter nehmen Rücksicht. Und wenn sie nicht grad teuer gekauft oder investiert haben, kommen sich auch mit stabilen Grundmieten über die Runde.

Die Mieten dieser gemeinwohlverträglichen Eigentümer werden nicht „gespiegelt“, sehr wohl aber die Mieten derjenigen Vermieter, die jedes Jahr Erhöhungen verlangen und dabei systematisch alle Möglichkeiten ausnutzen. Dazu gehören die Großvermieter LEG und Vonovia, die schon durch ihre pure Größe erheblichen Einfluss auf die Durschnittsmieten haben.

 

Immer weniger gesetzlich gebundene Sozialmieten

Zweitens werden die gesetzlich gebundenen Sozialmieten bei der Erhebung gar nicht berücksichtigt. Sozialwohnungen gibt es allerdings immer weniger. Laufen die Bindungen nach Rückzahlung der öffentlichen Mittel aus, werden von börsennotierten Vermietern wie der LEG oft maximale Steigerungen von 20 Prozent verlangt. Diese Mietensprünge werden auch im „Spiegel“ abgebildet.

Verschärfend für Witten wirkt sich aus, dass die Mietsteigerungen nicht, wie in vielen anderen Städten, auf 15 Prozent begrenzt ist. Der Grund dafür ist, dass die Landesregierung Witten nicht in die Mieterschutzverordnung aufnimmt. Nach den Kriterien der Regierung besteht bei uns kein „angespannter Wohnungsmarkt“.

 

Mietspiegel bildet überhöhte Angebote von Vonovia und LEG ab

Drittens werden die Mieten ganz entscheidend von den hohen Preisen angetrieben, die große Wohnungsanbieter verlangen, wenn sie eine leergezogene Wohnung neu zur Vermietung anbieten. Die Vonovia bietet ihre Wohnungen zu Preisen an, die in allen uns bekannten Fällen mindestens 30 Prozent über dem Mietspiegelmittelwerten liegen. Oft betragen sie sogar mehr als 40 Prozent oder gar 50 Prozent des Mietspiegels. Und bei der LEG ist es nicht viel anders. Es sind diese beiden Konzerne, die die Mieten in Witten hauptsächlich antreiben. Kein Gesetz und keine Verordnung hindert sie daran.

 

Wirtschaftsstrafgesetz wird nicht angewandt

Zwar sind solche Miethöhen nach § 5 Wirtschaftsstrafgesetz ordnungswidrig überhöht und müssten zurückgezahlt werden. Die obersten Gerichte haben aber entschieden, dass für das Vorliegen einer Ordnungswidrigkeit nachgewiesen werden muss, dass der betroffene Mieter im ganzen Stadtgebiet vergeblich eine günstigere Wohnung gesucht hat. Das ist so gut wie nie möglich. Und für Witten gilt auch in diesem Fall das Vorurteil, das gar kein „angespannter Wohnungsmarkt“ vorliegt.

Selbst wenn, wie vom Bundesrat vorgeschlagen und von der Linken im Bundestag zusätzlich beantragt, die Nachweispflicht der individuellen Notlage entfallen würden, wäre den Mietern in Witten wahrscheinlich nicht geholfen. Denn dazu müsste anerkannt werden, dass auch in der Ruhrstadt ein Mangel an vergleichbaren Wohnungen besteht. Es sei denn, der Gesetzgeber stellt klar, dass es für den Nachweis eines Mangels an vergleicbaren Wohnungen eine andere Grundlage gibt als die Verordnungen des Landes.

 

In Witten steigen die Mieten ungebremst

An der egene „Gebietskulisse“ der Landesregierung  scheitert auch die Anwendung eines weiteren Instruments zur Begrenzung des Mietenanstiegs: Dort, wo die sogenannte „Mietpreisbremse“ gilt, können Mieter die Absenkung der Miete verlangen, wenn diese mehr als 10 % über der Mietspiegelmiete liegt. Das Gesetz kennt viele Ausnahme und auf jeden Fall muss der Mieter erstmal den Mut aufbringen, gegen seinen Vermieter vorzugehen. Die „Mietpreisbremse“ gilt deshalb als wenig wirksam. Obendrein steht in den Sternen, ob sie von der nächsten Bundesregierung über das Ende des Jahres hinaus verlängert wird. Bis dahin gilt sie immerhin in NRW weiter. Die Landesregierung hat die entsprechende Mieterschutzverordnung gerade verlängert und sogar einige weitere Städte aufgenommen. Witten gehört nicht dazu.

 

Verein fordert Mietendeckel

Aufgrund dieser Fakten und Entwicklungen kommt der MieterInnenverein Witten zu dem Schluss, dass nur eine bundesweite Festsetzung lokaler Mietobergrenzen, eine sogenannter Mietendeckel, die Mietenexplosion stoppen kann. Die Obergrenzen würden Vonovia & Co. daran hindern, für ihre Renditen die Mieten anzutreiben. Zugleich würde sie aber rücksichtsvollen lokalen Vermietern und Genossenschaften noch Luft zur Neubauplanung lassen.

Zweitbeste Lösung wäre, wenn § 5 Wirtschaftsstrafgesetz und die Mietpreisbreme tatsächlich und auch für Witten anwendbar gemacht würden.