Vor der Landtagswahl: Das Wohnungswesen in NRW neu verfassen

Am 15. Mai wird in NRW ein neuer Landtag gewählt. Für viele Bereiche des Wohnungswesens ist das Land zuständig. Aufgrund der zunehmenden Wohnungsnöte sind die Herausforderungen gewaltig. Durch die Notwendigkeit, in unseren Städten so schnell wie möglich Klimaneutralität zu erreichen, werden sie noch enormer. Aber das Wohnungswesen in NRW ist nicht in der Verfassung, diese doppelte Herausforderung bewältigen zu können. In der nächste Legislaturperiode muss sich viel ändern.

Die bestehende Verfasssung  des Landes NRW erwähnt weder das Menschenrecht auf Wohnung noch die Verpflichtung zur Nachhaltigkeit. Statt ein gutes Leben für alle im Rahmen der Belastungsgrenzen der Natur fordert sie den Schutz der „Arbeitskraft“. Sie ist Kind des fossilen Industriezeitalters mit seinem Wachstumswahn. Das muss sich ändern. Die Versorgung aller Menschen mit bezahlbaren Wohnungen und die Klimaneutralität unserer Lebensweisen und Wohnverhältnisse müssen zu Staatszielen werden. Die Realität der Wohnungsmärkte aber läuft gerade genau in die entgegengesetzte Richtung.

Auch im Ruhrgebiet haben renditegetriebene Eigentümer die Mieten bei Neuverträgen und nach Modernisierung stark angehoben. Wer jetzt im Alter in eine kleinere Wohnung wechseln will, muss dafür häufig mehr bezahlen als für seine alte große Wohnung. Also bleiben die Leute lieber da wohnen, wo sie sind. Umzugsketten sind abgebrochen. Wer jetzt eine Wohnung sucht, wird vom „Markt“ bestraft.

Wer früher eine Eigenbedarfskündigung erhielt, hat sie meist widerstandslosakzeptiert. Denn man konnte erwarten, rechtzeitig eine akzeptable Ersatzwohnung zu finden. Diese Zeiten sind vorbei.  Heute stapeln sich im MieterInnenverein Witten die Räumungsklagen, weil die Gekündigten keine geeigneten Ersatzwohnungen finden.

 

Mietendeckel statt  Mieterschutz-Wüste

Solche Dramen werden dadurch begünstigt, dass im Ruhrgebiet die Mietenbremse für Neuvermietungen und die verlängerte Kündigungssperrfrist nach Umwandlung in Eigentum nicht gilt. Dafür ist die jetzige Landesregierung verantwortlich, weil sie das Ruhrgebiet nicht in die entsprechenden Verordnungen aufgenommen hat. Verantwortlich sind aber auch das unzureichende Bundesrecht und die Bundesregierung. Der Koalitionsvertrag der „Ampel“ sieht keine Verbesserungen des Mietrechts vor.

In Witten gibt es noch Genossenschaften, eine kommunale Wohnungsgesellschaft und manche PrivatvermieterInnen, die sich mit ihren Mietforderungen einigermaßen zurückhalten. Aber zugleich schlagen Vonovia, LEG. Tiegel & Co. voll zu, wenn sie die Mieten steigern können.  Bei Neuvermietungen von alten Wohnungen verlangen sie nicht selten Mieten, die mehr als 50 Prozent über dem Durchschnittswerte im Mietspiegel liegen. Der nächste Mietspiegel wird diese Preissprünge abbilden. Hinzu kommen die straken Energiepreissteigerungen.  Wohnen wird auch Witten für fast alle teurer. Und besonders hart wird es das Drittel der lokalen Bevölkerung treffen, das jetzt schon mit Einkommen an der Armutsrisikogrenze auskommen muss.

Was wir in dieser Situation brauchen würden, wäre ein Mietendeckel, der klare Obergrenzen für alle Mieten setzt, den sozialen VermieterInnen aber noch etwa Spielraum nach oben lässt. Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass ein derartiges Gesetz nur vom Bund kommen kann. Die Ampel hat dazu nichts vereinbart. Eine mieterfreundliche Landesregierung könnte zumindest versuchen, der Bundesregierung hier mit Bundesratsinitiativen Beine zu machen.

 

Gerechte Wohnraumbewirtschaftung statt Bauwahn

Was stattdessen in Berlin und Düsseldorf als Lösung gepredigt wird. passt in eine Wort: bauen. Aber die meisten neuen Wohnungen sind für die meisten Menschen in Witten zu teuer und ihr Bau ist sehr klimaschädlich. Es fehlt an großen Wohnungsbauträgern, die nicht der Rendite, sondern der sozialen und umweltgerechten Versorgung verpflichtet sind. Neubau wird unter diesen Bedingungen zu einem Fass ohne Boden, das wir uns nicht mehr leisten können.

Um eine soziale und umweltgerechte Wohnungsversorgung aller Menschen zu erreichen, muss in erster Linie der vorhandene Wohnraum gerechter verteilt und effizienter bewirtschaftet werden. Nirgendwo darf es spekulativen Leerstand geben. Vermietungsgesellschaften müssen transparent sein. Ein Teil der Mieteinnahmen muss zwingend und ohne Mieterhöhungen in die Bauerneuerung investiert werden. Für all das könnten auch Landesgesetze sorgen.

Bedarfsgerechter Neubau als Teil sozial-ökologische Quartiersentwicklung muss die Bestandspolitik gezielt ergänzen, weshalb wir gestärkte Planungskompetenzen der Kommunen und eine öffentliche Bodenwirtschaft benötigen würden.

 

Für eine Neue Wohnungsgemeinwirtschaft

In NRW wurde im vorletzten Jahrzehnt die landeseigenen und werksverbunden Wohnungssektor an die Finanzinvestoren verramscht. Nun brauchen wir für den sozialökologischen Umbau unsrer Städte neue landeseigene Wohnungs- und Quartiersentwicklungsträger:  eine Neue Wohnungsgemeinwirtschaft.  Es müssen landeseigene Institutionen geschaffen werden, die von existierende kommunalen und genossenschaftlichen Wohnungsunternehmen ergänzt werden, soweit sie sich dauerhaft den Gemeinnützigkeitsprinzipien unterwerfen.

Eine bedeutende Quelle für eine Neue Wohnungsgemeinwirtschaft wäre auch die Vergesellschaftung der mehr etwa 300.000 Wohnungen, die sich in diesem Lande unter der Kontrolle systematisch renditeorientierter Wohnungskonzerne und Fonds befinden. Diese verwenden einen Großteil ihrer wachsenden Mietüberschüsse für Dividenden und mietsteigernde Spekulation anstatt für den sozial-ökologischen Umbau. Das kann sich dieses Land nicht mehr leisten.

Um die Vergesellschaftung der Konzerne zu begründen, könnte sich das Land nicht nur auf Artikel 15 Grundgesetz, sondern auch auf Artikel 27 der Landesverfassung berufen: „Unternehmen, die wegen ihrer monopolartigen Stellung besondere Bedeutung haben, sollen in Gemeineigentum überführt werden.“

siehe auch:

Viel zu regeln! Es braucht eine neue Wohnungspolitik in NRW