Gerade in der jetzigen Krise braucht jede/r eine sichere und bezahlbare Wohnung!

Positionen des NRW-Bündnisses für das Recht auf Wohnung und Stadt zu den aktuellen wohnungspolitischen Reaktionen auf die Corona-Pandemie und erforderliche weitere Maßnahmen des Landes NRW

Düsseldorf, 27.3.2019

Am 28. März 2020 wären unter dem Motto „Wohnen für Menschen statt für Profite“ viele Menschen in ganz Europa auf die Straßen gegangen, um gegen hohe Mieten, Zwangsräumungen und Wohnungslosigkeit und für eine solidarische und ökologische Stadtentwicklung zu demonstrieren. Auch in NRW wäre es zu Demonstrationen gekommen. Für den heutigen Tag hatten wir zum Auftakt eine kleine Protestkundgebung vor dem Landtag geplant. Aufgrund der Corona-Krise mussten diese Aktionen verschoben werden. Dabei wäre gerade jetzt wohnungspolitischer Protest besonders erforderlich.

Während der Corona-Krise ist es wichtiger denn je, eine gute und ausreichend große, bezahlbare und sichere Wohnung zu haben. Menschen, die unter Armut, prekären Beschäftigungsverhältnissen oder Wohnungslosigkeit leiden, gehören oft zu den Corona-Risikogruppen. Wer wegen der Krise starke Einkommenseinbußen hat und deshalb die Miete oder den Hauskredit nicht zahlen kann, muss ausgerechnet jetzt um seine Wohnsicherheit fürchten.

Am 25. März hat der Bundestag Beschlüsse gefasst, um MieterInnen mit aktuellen Einkommensausfällen die Angst vor dem Wohnungsverlust zu nehmen: Wer so starke Einkommensverluste hat, dass er/sie „Hartz IV“ beantragen kann, muss vorläufig nicht mehr die eigenen Vermögensverhältnisse offenlegen und bekommt in den nächsten sechs Monate auch nicht die Aufforderung, die Wohnkosten durch Umzug zu senken. Und wer trotzdem in den nächsten drei Monaten die Miete nicht zahlen kann und glaubwürdig macht, dass dies an Corona liegt, dem soll der Vermieter nicht die Wohnung kündigen können. 

Zahlen müssen die MieterInnen trotzdem, und zwar innerhalb von zwei Jahren und mit Zinsen. Was mit Mietschulden geschieht, die nicht von Sozialleistungen abgedeckt sind, ist offen. Die neuen Regelungen helfen auch nicht den vielen Menschen, die schon vor Ausbruch der Pandemie ihre Wohnungen nicht bezahlen konnten. Schon angelaufene Kündigungs- und Räumungsverfahren wurden nicht gestoppt. Vermieter können auch mitten in der Corona-Krise neue Kündigungen wegen Eigenbedarfs aussprechen oder die Mieten erhöhen. Auch zur Verteilung der vielen jetzt leerstehenden Ferienwohnungen an die Bedürftigen gibt es nicht mal den Ansatz einer neuen Regelung.

Die jetzige Krise erfordert deutlich weiterreichende Reaktionen des Gesetzgebers. Es werden jetzt alle Wohnungsressourcen gebraucht, um die Menschen vor Angst und Krankheit zu bewahren. Wie die Gesundheitsversorgung muss auch die Wohnungsversorgung als Gemeingut organisiert werden.

Für den Gesetz- und Verordnungsgeber auf Landesebene sehen wir hier zwei dringende Kernaufgaben:

NRW-MIETENDECKEL JETZT!

Jede Form der Förderung der betroffenen MieterInnen wirkt als Förderung der renditeorientierten Geschäftsmodelle und Mietsteigerungen, wenn nicht gleichzeitig ein Mieterhöhungsstopp und Obergrenzen verfügt werden. Gerade weil jetzt viele öffentliche Mittel in die soziale Sicherung und noch mehr in die Rettung der Wirtschaftsunternehmen gesteckt werden, ist es unerträglich, dass die Wohnungswirtschaft weiter profitieren kann, indem sie Mieten weit über dem Durchschnitts- und Kostenniveau verlangen kann. Mieterhöhungen müssen jetzt sofort gestoppt werden, überhöhte Mieten müssen abgesenkt werden, damit die soziale Sicherheit und die Kaufkraft der Bevölkerung gestärkt werden und auch, damit die öffentlichen Kosten der Mietenübernahme begrenzt werden.         

  • Es soll verboten werden, im laufenden Mietverhältnis die Mieten zu erhöhen. Es sei denn, die Miete liegt unter 80 % der ortsüblichen Vergleichsmiete (in der Regel Mietspiegel-Mittelwert.)
  • Es soll verboten werden, im Zuge der Wiedervermietung eine Miete zu verlangen, die über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt. Kommunen sollen ermächtigt werden, Mietobergrenzen auch unterhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete festzusetzen.  
  • Modernisierungserhöhungen sollen nur möglich sein, insoweit die Erhöhung der Grundmiete durch Einsparung der Betriebs- bzw. Heizkosten in entsprechender Höhe ausgeglichen wird.
  • Mieten, die mehr als 5 % über der Mietobergrenze (ortsübliche Vergleichsmiete) liegen, sollen auf die Mietobergrenze abgesenkt werden.

WOHNUNGEN FÜR ALLE!

In einigen Großstädten, zum Beispiel in Köln, sind die Unterkünfte für Wohnungslose und Geflüchtete zum Teil extrem überbelegt. Die Landesaufnahmeeinrichtungen halten die Geflüchteten länger fest als unbedingt erforderlich. Allen Menschen ohne Wohnungen oder mit unzureichenden Wohnungen (Geflüchtete, Wohnungslose, Menschen die bei Bekannten, in Gewaltverhältnissen, zu eng wohnen…) müssen sofort leerstehende Wohnungen, Ferienwohnungen oder Hotelzimmer zur Verfügung gestellt werden. Zugleich muss alles getan werden, um vorhandenen Wohnraum zu erhalten. Während der Corona-Epidemie darf niemand um seine Wohnung fürchten müssen. Umzüge sind zurzeit nicht zumutbar. 

  • Das Land NRW sollte umgehend ein Gesetz zur Registrierung und Nutzung von leerstehendem Wohnraum erlassen. Nach diesem Gesetz sollten leerstehende Wohnungen im ganzen Lande bei den Kommunen gemeldet werden müssen. Weigern sich die Eigentümer, die Wohnungen zu vermieten, sollten sie für den Zweck der Unterbringung beschlagnahmt werden.
  • Alle Wohnungslosen und Menschen in den Sammelunterkünften sollen von den Kommunen in Wohnungen vermittelt werden. Deshalb sollten alle Kommunen Zweckentfremdungssatzungen nach dem Wohnungsaufsichtsgesetz erlassen, um gegen den Leerstand von Wohnungen vorgehen zu können.
  • Die Gerichte sollten in den kommenden Monaten Zwangsräumungen aussetzen. Sie wären sittenwidrig. Laufende Kündigungs- und Räumungssachen wegen Mietzahlungsverzug oder Eigenbedarf sollten aufgeschoben werden.
  • Kommt es dennoch zu Räumungen, müssen die Kommunen zur Not von ihrem Recht auf Beschlagnahme und Wiedereinweisung in die Wohnung Gebrauch machen. Dies ist nach dem Infektionsschutzgesetz oder dem Ordnungsbehördengesetz möglich. Das Innenministerium des Landes NRW soll eine entsprechende ordnungsbehördliche Verordnung erlassen.
  • Auf der gleichen Grundlage sollten vom Land und den Kommunen Wasser- und Energiesperren verhindert oder aufgehoben werden, wenn diese Sperren trotz Corona weiter erfolgen sollten.
  • Innerhalb der gewonnenen Zeit sollte für alle Betroffenen die Räumung durch Übernahme der Mietschulden, Vergleichsvereinbarungen oder Ersatzwohnungen abgewendet werden. Zur Umsetzung durch die Kommunen soll das Land die erforderlichen Mittel bereitstellen.

Während der Bundestag gerade den Ausbau des Schutzes von Mieter*innen beschlossen hat, lässt die Landesregierung NRW die Umwandlungsverordnung am 27.03.2020 ohne Diskussion auslaufen. Die Verordnung beschränkte die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen in Gebieten mit städtebaulichen Milieuschutzsatzungen. Die Abschaffung könnte als Ermutigung wirken, gerade in diesen Gebieten nun vermehrt umzuwandeln. Zugleich diskutiert der Landtag ein noch nicht öffentliches Gutachten des Empirica-Instituts, in dem unter anderem die Notwendigkeit der Landesverordnungen zur Mietpreisbremse in Frage gestellt wird. Diese Diskussionen sind nun völlig aus der Zeit gefallen. Wir brauchen wesentlich mehr und nicht weniger öffentliche Kontrollen des Wohnungsmarktes!

Knut Unger, MieterInnenverein Witten; Werner Szybalski, LEG-Mieter*innen-Initiative Münster; Iris Rademacher, Bündnis für bezahlbaren Wohnraum Düsseldorf; Recht auf Stadt Köln; Michael Risthaus, MieterInneninitiative Europahaus Oberhausen; Klaus Adrian, Wohnen Wagen, Köln; Petra Jacobs; RAin Gertraud Cölsche, Dortmund; Andreas Herzig, Witten;  Thomas Fritz und Jana Mattert, Attac AG De-Privatisierung; Rita Zachraj, Velero Mieter Barkenberg;  Anne Eberle, Erwerbslosenberaterin, Dortmund; Mieterverein Dortmund; Stefan Borggraefe, Witten; Mietergemeinschaft Essen e.V.; Bündnis Münster gehört uns allen!; Norbert Hermann, Bochum prekär

Siehe auch: Das Recht auf Wohnung in Zeiten der Pandemie. Aktuelle wohnungspolitische Reaktionen und weitergehende Forderungen. Dieser Kommentar für die Rosa Luxemburg Stiftung basiert unter anderem auf Diskussionen, die auch zu dem NRW-Aufruf geführt haben.

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