Das Zurückbehaltungsrecht an den laufenden Betriebskostenvorauszahlungen

Dass MieterInnen, die vergeblich die Einsichtnahme in die Abrechnungsbelege verlangt haben, Nachforderungen aus der Betriebskostenabrechnung zurückbehalten können, ist halbwegs bekannt. Weniger bekannt ist, dass sich das Zurückbehaltungsrecht auch auf die laufenden Vorauszahlungen erstreckt.

Der BGH hat in mehreren Urteilen die Belegeinsichtsrechte des Mieters und die daraus resultierenden Zurückbehaltungsrechte geklärt. Neben den selbstverständlich vorzulegenden Rechnungen (vgl. z.B. VIII ZR 38/11) sind insbesondere mindestens die zugehörigen Verträge (VIII ZR 189/17) und die Zahlungsnachweise (VIII ZR 118/19) vom Einsichtsrecht des Mieters umfasst. Solange diese Belege nicht vollständig zugänglich gemacht werden, besteht nach Anforderung der Belegeinsicht durch den Mieter ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs.1 BGB hinsichtlich einer sich evtl. aus der Betriebskostenabrechnung ergebenden Nachforderung und zukünftigen Vorauszahlungen.

Letzteres ist im Licht der BGH-Rechtsprechung von wesentlicher Bedeutung. Der BGH sieht bei laufendem Mietverhältnis das Zurückbehaltungsrecht des Mieters als einziges Druckmittel bei nicht erfolgter bzw. unvollständiger Belegeinsichtsgewährung. Eine Rückforderung etwa der Betriebskostenvorauszahlungen ist im laufenden Mietverhältnis mindestens bis zur Vorlage der Belege ausgeschlossen (VIII ZR 288/09).

Das Zurückbehaltungsrecht beschränkt sich keineswegs, wie vielfach irrtümlich angenommen wird, auf die Zurückbehaltung von Nachforderungen. Denn dann hätte der Mieter im Falle einer Gutschrift überhaupt kein Druckmittel zur Durchsetzung seiner Prüfrechte. VIII ZR 288/09 bezieht deshalb auch die laufenden Vorauszahlungen in das Zurückbehaltungsrecht ein. Dies wurde in VIII ZR 150/20 durch einen Hinweisbeschluss nochmals ausdrücklich bestätigt. Auch die führenden Mietrechtskommentare sind sich in dieser Hinsicht einig. [1]

Entgegen mancher Ansicht ist das Zurückbehaltungsrecht auch betraglich nicht eingeschränkt. Jedoch kann man sich aus Gründen äußerster Vorsicht auf einen Betrag beschränken, den man als auf jeden Fall ungerechtfertigt einschätzt. Dies sind in vielen Fällen sicherlich 2-3 monatliche Vorauszahlungen pro Abrechnung.  Auch kann man sich aus Gründen der Vorsicht auf einen Betrag unterhalb von zwei oder einer Bruttomiete beschränken.

[1]     Lehmann-Richter in Schmidt-Futterer, 15. Aufl., § 555 BGB, Rn. 125; Langenberg-Zehelein, 10. Aufl., H 303; Wall, 5. Aufl. Rn. 2213.