MieterInnenverein für getrennte Hebesätze bei der Grundsteuer in Witten 

Am 9.12.2024  berät der Hauptausschuss der Stadt Witten über die Anhebung der Hebesätze für die Grundsteuer. Damit soll erreicht werden, dass nach Umsetzung der Grundsteuerreform im nächsten Jahr nicht weniger, aber auch nicht mehr, Geld in den städtischen Haushalt fließt. Gegen den Verwaltungsvorschlag plädiert der MieterInnenverein Witten für die Festsetzung unterschiedlicher Hebesätze für Wohn- und Nichtwohngrundstücke.  „Durch ein getrennte Hebesätze für Wohnen und Gewerbe kann die Stadt den unsozialen Charakter der jetzigen Grundsteuerregelungen abmildern“, sagt Vereinssprecher Knut Unger. „In Witten werden die vielen einkommensarmen MieterInnen schon jetzt mehr als in fast alle anderen Kommunen mit Grundsteuern belastet. Da muss die Stadt jede Chance nutzen, diese Belastung zu verringern.“

Die vom Verfassungsgericht erzwungene Grundsteuerreform hat dazu geführt, dass alle Grundstücke und ihre Bebauungen neu bewertet wurden. Das Ergebnis dieser Neubewertung, der vom Finanzamt festgesetzt Messbetrag, wird mit dem sogenannten Hebesatz multipliziert, der von der Kommune festgesetzt wird. Erst daraus ergibt sich die konkrete Grundsteuer. Nun passen die alten Hebesätze aber nicht mehr zu den neuen Bewertungen. Würde die Stadt keine Erhöhung ihrer Hebesätze vornehmen, hätte sie hohe Steuerverluste. Es gilt jedoch die Zusage, dass es durch die neuen Hebesätze nicht zu höheren Steuereinnahmen als bisher kommen soll. Dazu gibt es verschiedene Berechnungen des Landes. Die Stadtverwaltung Witten geht davon aus, dass der Hebesatz der Grundsteuer B von 910 % auf 1302 % angehoben werden muss, damit es nicht zu Einnahmeverlusten kommt. Damit hätte das arme Witten nach wie vor eine der höchsten Grundsteuern im gesamten Bundesgebiet.

Stadt kann an unsozialer „Kopfsteuer“ nichts ändern. Sie könnte die Folgen aber abmildern.

Die von den Grundstückeigentümern geschuldete Grundsteuer wird mit den Nebenkosten fast immer auf die MieterInnen umgelegt, also von den Vermögenden auf die NutzerInnen. Sie wirkt damit faktisch wie eine unsoziale Kopfsteuer. Auch wer nur ein sehr niedriges Einkommen hat, muss sie zahlen. Zutiefst unsozial ist auch, dass die Grundsteuerhebesätze ausgerechnet in armen Kommunen wie Witten besonders hoch ist, während sie in Städte mit viel mehr kommunalen Leistungen, etwa Düsseldorf, viel niedriger sind. An dieser unsozialen Struktur kann die Stadt Witten freilich nichts ändern, das wäre Aufgabe der Gesetzgeber in Bund und Land. Würde die Stadt wesentlich niedrigere Hebesätze festsetzen, müssten die kommunalen Leistungen weiter eingeschränkt werden. Nur eine einzige Gestaltungsmöglichkeit hat die Stadt nach den bestehenden landesrechtlichen Regelungen: Sie kann nach den Regelungen des Landes für Wohn- und für Nichtwohngrundstücke unterschiedlich hohe Hebesätze festlegen, die zu einer Entlastung der Wohngrundstücke und einer stärkeren Belastung der Nichtwohngrundstücke führen.

Gewinner und Verlierer der Grundsteuerreform

Wie aktuelle Berechnungen aus zahlreichen Kommunen zeigen, kommt es durch die Umsetzung der Grundsteuerreform sowohl unter den MieterInnen als auch unter den Gewerbetreibenden zu Gewinnern und Verlierern. Das liegt an den neuen Bewertungsgrundlagen, nicht an den Hebesätzen. In der alten Grundsteuer wurden die Grundstückswerte sehr lange nicht der unterschiedlichen Wertentwicklung angepasst. Jetzt wurde das auf einen Schlag geändert. Bei der Bewertung spielen auch hypothetische Mieteinnahmen eine große Rolle, die in vielen Fällen nicht den tatsächlichen Mieten entsprechen, aber dennoch zu hohen Grundsteuern führen. Den Nachteil können zum Beispiel BewohnerInnen eng und relativ hoch bebauter kleiner Grundstücke in der Innenstadt haben, weil hier hohe hypothetische Mieterträge auf den Quadratmeter entfallen. Mit Steigerungen der Wohnkostenbelastung ist in solchen Fällen zu rechnen. Dagegen kann in anderen Wohngebieten auch zu bemerkbaren Entlastungen kommen.

Bis über 70 % mehr Grundsteuern in einzelnen  Mehrfamilienhäusern. Halbierung der Steuern bei manchen Gewerbegrundstücken.

Wie Beispielrechnungen der Stadt Witten zeigen, kommt es in Mehrfamilienhäusern zu Steigerungen der einheitlichen Grundsteuern um bis über 70 %. Ebenso gibt es aber Fälle, bei denen die Grundsteuer sinkt. Auch an den damit einhergehenden Ungerechtigkeiten kann die Stadt ohne Verzicht auf Steuereinnahmen nichts Grundsätzliches ändern. Ändern kann sie aber, dass Gewerbe und Wohnen gleichbehandelt werden. Nach den Beispielrechnungen der Stadt kommt es bei einem einheitlichen Steuersatz zu zum Teil sehr hohen Entlastungen von Gewerbegrundstücken. Teilweise reduzieren sich die Steuern hier um weit mehr als die Hälfte, in Einzelfällen fällt sogar nur noch ein Drittel an. Das ist sozial extrem ungerecht!

Getrennte Hebesätze würden viele MieterInnen weniger stark belasten.

Bei einem getrennten Hebesatz würde diese Folge nach den Berechnungen der Stadt abgemildert. Statt 70 % mehr Steuern müssten die Mieter des oben erwähnten Hauses zum Beispiel nur 50 % mehr zahlen. Bei fast allen von der Stadt präsentierten Beispielrechnungen würden die Steuerbelastungen von Mehrfamilienhäusern stabil bleiben. Auf der anderen Seite würde die Steuerbelastung eines beispielhaften Gewerbegrundstückes statt um die Hälfte nur „nur“ um etwa ein Drittel sinken.

Für soziale Gerechtigkeit muss die Stadt auch ein begrenztes rechtliches Risiko eingehen.

Die Beispieldaten der Stadt Witten zeigen also eines ganz deutlich: Die geplante Festsetzung eines einheitlichen Hebesatzes für Wohnen und Gewerbe setzt dem unsozialen Charakter der jetzigen Grundsteuerregelungen noch die Krone auf! Die Stadt Witten, die ihre vielen einkommensarmen MieterInnen schon jetzt mehr als fast alle anderen Kommunen in Deutschland mit Grundsteuern belastet, muss jede Chance nutzen, diese Belastung zu verringern! Dafür müssen auch die begrenzten juristischen Risiken eines getrennten Steuersatzes eingegangen werden.