„City-Passagen“: Horrende Mietensteigerungen für Sozialmieter

In dem „City Passagen“ genannten Baukomplex in der Wittener Fußgängerzone verlangt der Eigentümer – der Neusser Immobilieninvestor und Autohändler Ben Philipp Dahlheim – von seinen Sozialmietern extrem hohe Nachforderungen aus einer  Betriebskostenabrechnung und aus einer rückwirkenden Mieterhöhung. Seine Forderungen belaufen sich im Einzelfall auf bis über 5000 €.  Der MieterInnenverein hält die Forderungen für unwirksam und unbegründet. Die MieterInnen haben sich organisiert und Unterschriften gesammelt, mit denen Sie korrekte Betriebskostenabrechnungen, eine Zurücknahme der zahlreichen Klagen und Instandsetzungen der Gebäude fordern. Für Freitag, 21. August 2020, 17 Uhr, ist eine Protestkungebeung an der Berliner Straße geplant.

In dem Baukomplex an der Berliner Straße 8-10, Bahnhofstraße 49 – 53a und Postststaße 11-13 gibt es nicht nur (teilweise leerstehende) Gewerbeflächen und Tiefgaragen, sondern auch  31 Wohnungen. Bis auf wenige Ausnahmen sind es öffentlich geförderte Sozialwohnungen. Viele Jahre lang waren die Mieten in den im Zuge der Innenstadtsanierung in den 80er Jahren errichteten Gebäuden außerordentlich günstig. Der langjährige Vermieter, das Versorgungswerk der Ärztekammer Westfalen-Lippe, verzichtete sogar auf Mieterhöhungen, die ihm rechtlich zugestanden hätten. Aber dann verkauft die Ärztekammer die Gebäude im Jahr an die bayerische „Apollon Grundbesitz GmbH“. Diese Firma, die sich seit 2019 in Liquidation befindet, veräußerte die Immobilien bereits zum 1.9.2018 an die „Squadron Real Estate GmbH“, einer extra für diesen Zweck gegründete Gesellschaft des Neusser Autohändlers und Immobilieninvestors Ben Philipp Dalheim.

Kaum hatte Dahlheim die Wohnungen erworben, nahm er im September 2018 einer Erhöhung der Mieten von bis dahin knapp 4 €/m² auf ca. 5 €/m² vor, was auch nach Einschätzung des MieterInnenvereins keine unübliche Sozialmiete wäre. Es hatten sich seit der Fertigstellung des Komplexes die gesetzlichen Pauschalen für die Instandhaltungs- und Verwaltungskosten im Sozialen Wohnungsbau mehrfach erhöht, ohne dass die Ärztekammer diese Erhöhungsmöglichkeiten auch umsetzte. Auch Zinserhöhungen wurden geltend gemacht. Ob diese zu Mieterhöhungen führen, ist allerdings nicht nicht erwiesen,

Die Mieterhöhung für die Zukunft wurde von den Mietern bislang akzeptiert. Was aber zu einem grundsätzlichen Streit führte, war die Forderung Dahlheims nach einer rückwirkenden Zahlung dieser Mieterhöhungen – zum Teil über 100 Euro im Monat  – über einen Zeitraum von 22 Monaten. Die rückwirkenden Mieterhöhungen, die Dahlheim seinen entsetzten MieterInnen präsentierte, beliefen sich bis zu nahezu 2600 Euro. Hinzu kommen inzwischen die Zinsen, die Dahlheim verlangt.

Zur Begründung beruft sich der Eigentümer darauf, dass die Mietverträge angeblich eine Klausel enthalten, die eine derartige rückwirkende Mieterhöhung ermöglichen würde. Diese Ansicht ist rechtlich falsch. Zwar kann im Sozialen Wohnungsbau auch eine rückwirkend Erhöhung der Mieten auf die jeweils zulässige Höchstmiete vereinbart werden, dies setzt aber ausdrücklich eine Klausel voraus, die für die MieterInnen eindeutig diese Möglichkeit einräumt. In den Sozialmietverträgen der City-Passage heißt es aber lediglich „Die Miete kann sich nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen erhöhen oder ermäßigen.“ Aus dieser Klausel lässt sich eine Rückwirkung nicht entnehmen. Dies ergibt sich auch aus mehreren Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zu der Frage der „Mietgleitklausel“.

Die rechtliche Unzulässigkeit der rückwirkenden Mieterhöhung teilte der MieterInnnenverein dem Vermieter bereits im November 2018 mit. Dass  Dahlheim dem MieterInnenverein Verhandlungen angeboten hätte, wie es ein Bericht der WAZ nahelegt, stimmt nicht. Vielmehr antwortete der Vermieter auf die Schreiben des MieterInnenvereins nicht. Der MieterInnenverein hätte aber auch einer niedrigeren rückwirkenden Erhöhung nicht zustimmen können. Dazu war es nach einhelliger Mienung aller ExpertInnen viel zu eindeutig, dass der Mietvertrag keine „Gleitklausel“ enthielt.

Aber das interessiert Dahlheim und seine Anwälte ebenso wenig wie die hohe Belastung, die derartige Forderungen für die Mieter darstellen. Inzwischen hat Dahlheim in mindestens 11 Fällen Klage erhoben. Skandalöser Weise hat er damit zumindest in einem Fall sogar Erfolg gehabt. Das Amtsgericht Witten urteilte im Mai 2020, die Klausel ermögliche die rückwirkende Erhöhung und zitiert dabei (unvollständig) aus einem BGH-Urteil, das allerdings eindeutig anderes ergibt. Für den MieterInnenverein, der dazu auch in seinem Verband Einschätzungen eingeholt hat, handelt es sich um ein krasses Fehlurteil, das einer Berufung nicht standhalten würde.  Eine Berufung war in dem Fall aber nicht zugelassen.

Trotzdem blieb das Urteil nicht komplett ohne Wirkung. Einzelne Mietparteien haben Säumnisurteile hingenommen, – selbst dann, wenn der Mietvertrag über freifinanzierten Wohnraum abgeschlossen war, für den eine rückwirkende Erhöhungsmöglichkeit grundsätzlich nicht existiert.

NEBENKOSTEN HÖHER ALS DIE GRUNDMIETE

Aber nicht nur bei der Grundmiete, auch bei den Nebenkosten fordert Dahlheim extreme Nachzahlungen. Im Juni 2020 erhielten alle MieterInnen Nebenkostenabrechnungen mit unglaublich hohen Nachforderungen für das Jahr 2019.  Eine Mietpartei sollte 1.943,53 € an Nebenkosten-Nachforderungen für 2019 bezahlen, und zwar „innerhalb von 30 Tagen“. Ihre monatlichen Vorauszahlungen wurden im gleichen Schreiben um 161,86 € auf unglaubliche 430,96 € erhöht.

Schon einer oberflächlichen Prüfung halten diese Forderungen nicht stand. Aus den Abrechnungen ergibt sich nicht, welcher Vorabzug für Gewerberäume und Tiefgaragen vorgenommen wurde. Und ein solcher Vorabzug ist in Sozialwohnungen rechtlich zwingend vorgeschrieben. Denn die Kosten der Gewerberäume liegen zum Teil höher.

Vergleicht man die Abrechnungen mit denen der früheren Eigentümer, wird schnell klar, dass Dahlheim eigenmächtig die Abrechnungseinheiten geändert hat. Die Grundsteuern, die Müllkosten und die Auszugskosten sollen teilweise mehr als Doppelte der Vorjahre betragen, obwohl sich an den Gebühren gar nicht geändert hat.

Der MieterInnenverein Witten hält diese Abrechnungen für formell unwirksam und auf jeden Fall für extrem überhöht. Er rät allen Mietern, die Zahlungen zurückzubehalten und sich Rechtbeistand zu suchen. Auch die Gewerbemieter sollten ihre Abrchnungen überprüfen.

ERHEBLICHE MÄNGEL

Laut lokalen Presseberichten im Jahr 2018 wollte Dalheim in die von erheblichem Leerstand gekennzeichnete Wittener Immobilien investieren. Davon haben die Wohnungsmieter nichts bemerkt. Die Aufzüge fallen ständig aus und ruckeln beim Betrieb. Sie werden immer nur notdürftig repariert. In einem Teil der Gebäude gibt es Dachundichtigkeiten. Durch Öffnungen in den Fassaden dringen Ratten in auf Balkonen in den oberen Geschossen. In einem Sandkasten innerhalb der Wohnanlage befindet sich nur Kies, der seit Jahren nicht ausgetauscht wurde.

Entgegen der Behauptung Dahlheims in der WAZ Witten wurden ihm diverse Mängel auch mitgeteilt, – telefonisch durch die MieterInnen und schriftlich durch den MieterInnenverein.

ANGSTMACHER SCHUFA

Lieber als um eine ordentlich Verwaltung scheint sich Dahlheim um Einschüchterungen und Druck gegen seine Mieter zu kümmern. Im Briefkopf der „Dalheim Immobiliengruppe“ findet sich der Aufdruck „Vertragspartner der schufa“. In den Schreiben wird immer gleich mit Rechtsverfolgung gedroht.

Die rückwirkenden Mieterhöhungen und Nachforderungen aus der Abrechnung 2019 summieren sich bei alten Mietparteien im Einzelfall auf über 5000 Euro. Aber auch Mieter, die erst in den letzten beiden Jahren eingezogen sind, wissen nicht, wie sie die hohen Betriebskostenforderungen von ihrem knappen Einkommen bezahlen sollen.  Betroffen sind auch Job-Center und Grundsicherungsamt, die für eine ganzen Reihe von MieterInnen die Kosten der Unterkunft übernehmen müssten.

Gemeinsam fordern wir, dass Dahlheim seine Klagen zurückzieht, korrekte Abrechnungen vorlegt und die Mängel behebt.  Für Freitag, 21. August  ist um 17 Uhr eine Protestkundgebung vor dem Gebäude an der Berliner Straße geplant (Nähe Kugelbrunnen).