Versammlung mit Caren Lay (Die Linke): Mietendeckel und Nebenkostenkontrolle

Caren Lay (links), Knut Unger (2. v. links) und Besucher nach der Diskussion in Witten Die steigenden Mieten und die miserablen Zustände in den Wittener Wohnungsbeständen privater Wohnungskonzerne standen im Mittelpunkt einer Versammlung des MieterInnenvereins mit der wohnungspolitischen Sprecherin der Linken im Bundestag, Caren Lay, am 25. Januar. Gekommen waren vor allem Mietende der Großvermieter LEG, Vonovia. PEACH und Lietmeyer, die sich mit dem Mieterverein gemeinsam gegen Mieterhöhungen, hohe Nebenkosten, Mängel und unbegründete Mahnschreiben wehren. In der Diskussion zeigte sich eine große Schnittmenge mit den wohnungspolitischen Vorstellungen der Linkspartei. Es gibt aber auch jede Menge Konkretisierungsbedarf.

„Die Wohnungen der Mieter, die sich hier versammelt haben, befanden sich Anfang des Jahrhunderts noch als Werkwohnungen im Eigentum der Montanindustrie“, erklärte Vereinssprecher Knut Unger im Saal des Gewerkschaftshauses. „Vor genau 20 Jahren wurden sie an globale Finanzinvestoren verhökert. Deren Geschäft ist es, immer mehr Miete bei geringeren Kosten zu erwirtschaften. Wir erleben jeden Tag, was das für uns hier bedeutet.“

WOHNUNGEN  DÜRFEN KEINE SPEKULATIONSOBJEKTE SEIN

„Wohnungen dürfen keine Spekulationsobjekte sein. Sie gehören nicht in die Hand von solchen Konzernen“, forderte Caren Lay. Ginge es nach dem Wahlprogramm ihrer Partei, würden die Wohnungen renditeorientierter Großunternehmen nach Artikel 15 Grundgesetz vergesellschaftet. Als langjährige Bundestagsabgeordnete weiß Lay allerdings gut, dass das so schnell nicht kommen wird, auch wenn es eines der wirksamsten Mittel gegen Mietenwahnsinn und Wohnungsnot wäre. Die politischen Kräfteverhältnisse weisen in eine andere Richtung.

DIE AMPEL HAT WOHNUNGSPOLITISCH VERSAGT

„Vor der letzten Bundestagswahl gab es einen Moment, da dachte ich, dass sich etwas bewegt, berichtet Lay. „SPD und Grüne forderten Mieterhöhungsbeschränkungen, die Forderung nach einem sechsjährigen Mietenstopp war populär. Eine neue Wohngemeinnützigkeit wurde versprochen. Scholz verkaufte sich auf Großplakaten als zukünftiger Mietenkanzler. Dann kam die Ampel, die von Anfang an nur ganz wenige Mietrechtsverbesserungen plante. Umgesetzt wurde selbst davon, und es tut mir echt leid, das sagen zu müssen, so gut wie nichts. Die hochgesteckten Neubauziele wurden völlig verfehlt, aus der Wohnungsgemeinnützigkeit wurde nur eine kleine Nische. Selbst leichte Begrenzungen der Mieterhöhungen wurden nicht umgesetzt, und die Mietpreisbremse wurde auch nicht rechtzeitig verlängert. Diese wirkt wegen der vielen Ausnahmen aber sowieso kaum.“ Statt einer zahnlosen Mietpreisbremse brauche es einen bundesweiten Mietendeckel.

 MIETPREISBREMSE GEHT AN WITTEN VORBEI

„Die Mietpreisbremse gilt in Witten sowieso nicht“, stellte dazu Knut Unger fest. „Und das wird sich auch nicht so schnell ändern. Gerade für uns ist die Forderungen nach einem echten Mietendeckel, also verbindlichen Mietobergrenzen, besonders überzeugend.“ Witten ist, ebenso wie Bochum oder Essen, nicht in dem Entwurf einer neuen Mieterschutzverordnung aufgeführt, die die Landesregierung in am 7. Januar veröffentlichte. Diese Verordnung legt auf der Grundlage einer umstrittenen empirischen Untersuchung fest, in welchen Städten „angespannte Wohnungsmärkte“ bestehen. Nur dort gilt ein erweiterter Kündigungsschutz nach Umwandlung in eine Eigentumswohnung. Nur dort gilt die verkürzte Kappungsgrenze für Mieterhöhungen von maximal 15 % in drei Jahren. Und nur dort kann ein Mieter unter bestimmten Bedingungen die Absenkung der Miete verlangen, wenn sie mehr als 10 % über dem Mietspiegel liegt, also die Mietpreisbremse ziehen. „Selbst wenn die Verordnung noch mal etwas nachgebessert würde, würde Witten wohl nicht darunter fallen“, sagte Unger. „Der gespaltenen Wohnungsmarkt, den wir hier haben, wird in der Untersuchung grundsätzlich nicht erfasst.“

VONOVIA UND LEG TREIBEN DIE MIETEN AN

Nach Beobachtung der MieterInnenverein weichen die Genossenschaften und viele Privatvermieter auch bei Wiedervermietungen nicht stark vom Mietspiegel ab. Das eigentliche Problem seien auch nicht gierige Kleinvermieter. Das große Problem für alle MieterInnen in Witten seien LEG und Vonovia mit ihren systematischen Mietsteigerungen bei vielen Wohnungen. Die von der Vonovia aktuell im Internet angebotenen Wohnungen liegen nach Einschätzung des MieterInnenvereins mindestens 30 %, in manchen Fällen sogar über 50 % über der Mietspiegelmiete. Und das sei seit Jahren so. Eine Wohnung in dem vernachlässigten Hochhaus an der Schulze-Delitzsch-Str 23 in Heven zum Beispiel wird aktuell für 8,18 €/m² angeboten. Laut Mietspiegel liegt die Miete bei maximal 6,05 €/qm, und das auch nur, weil der oft ausfallende Aufzug stark gewichtet wird. Ein wenig weiter unten auf dieser Straße werden für eine modernisierte Wohnung ohne Aufzug 9,65 €/m² verlangt. Die Mietspiegelmiete liegt bei etwa 6,70 €/m². Am Wannen wird eine Wohnung in einem schmimmelanfälligen Altbaukomplex für 8,49 €/m² angeboten. Das ist nach Einschätzungen des MieterInnenvereins etwa doppelt so viel wie der Mietspiegel hergeben würde.

„Schlimm ist nicht nur, dass Menschen mit niedrigen Einkommen, vor allem migrantische Familien mit Kindern, auf diese Wohnungen angewiesen sind“, sagt Unger. „Schlimm ist auch, dass die überzogenen Mieten dieser Großvermieter die Mietspiegelwerte für alle Wohnungen in Witten ansteigen lassen. Vonovia und LEG haben sich in der letzten Mietspiegelerhebung als Haupttreiber der Mieten in Witten erwiesen.“ Der jetzige Mietspiegel solle nach jetzigem Stand zum 1. Juli 2025 ohne Neuerhebung nach dem Lebenshaltungskostenindex um 5,6 % angehoben werden. Es sei zu erwarten, dass Vonovia und LEG den neuen Mieterhöhungsspielraum sofort systematisch ausschöpfen werden.

WITTEN BRAUCHT EINEN MIETENDECKEL

„Um diesen Wahnsinn zu beenden, hilft nur eines: Es müssen strikte Obergrenzen für die Mieten festgesetzt werde“, forderte Unger. Diese könnten rücksichtsvollen Kleinvermietern und Genossenschaften, die Hauptträger des sozialen Wohnungsbaus sind, noch genügend Spielraum lassen. „Die Mietpreistreiberei von Vonovia, LEG & Co. aber muss beendet werden.“ Dazu, wie auch für den Kündigungsschutz, sei die Festlegung von „Notstandsgebieten unterschiedlicher Dramatik“ das völlig falsche Mittel. „Wir brauchen Gesetze, die die Mieter im ganzen Bundesgebiet vor der endlosen Mieterhöhungsspirale schützen“, forderte Unger.

Auch Caren Lay sah in der regionalen Differenzierung ein Problem: „Wenn in manchen Städten schärfere Regeln gelten, weichen die spekulativen Investoren in die Gebiete mit weniger scharfen Regeln aus.“

NEBENKOSTEN KONTROLLIERBAR MACHEN

Aufgefordert, von ihren aktuellen Problemen zu sprechen, beklagten sich die im Gewerkschaftshaus anwesenden MieterInnen vor allem über undurchsichtige und immer höhere Nebenkosten.

„Die Kostenbelege, die die Firma PEACH dem MieterInnenverein zur Verfügung gestellt hat, sind unvollständig und zum Teil nicht leserlich“, berichtete ein Mieter aus Heven. „Trotzdem können wir feststellen, dass Teile der Abrechnungen einfach falsch sind. Für mich ist das Betrug. Kann nicht politisch dafür gesorgt werden, dass so etwas unterbleibt?“  „Eine großer Teil der Probleme hängt damit zusammen, dass diese Vermieter zahlreiche Tochterfirmen gegründet haben, um mit undurchsichtigen Rechnungen und immer neuen Abrechnungspositionen zusätzliche Gewinne zu machen“, ergänzte Knut Unger.

„Steigende Nebenkosten sind Teil der Geschäftsmodelle dieser Konzerne“, pflichtete Caren Lay bei. „Dazu werden wir mit Unterstützung der Wählerinnen und Wähler in der nächsten Legislaturperiode mehr machen.“ Positionen, die nur aufgrund des Eigentums entstehen und nichts mit den Mietern zu tun haben, wie Grundsteuer und Gebäudeversicherungen sollten gar nicht auf die Mieter umgelegt werden können. Da waren sich Mieterverein und Caren Lay einig.

Unger schlug weitere konkrete Maßnahmen vor, die seiner Meinung nach nicht nur bei der linken Opposition auf Interesse stoßen sollten: „Es kann ganz einfach gesetzlich klargestellt werden, dass konzernbeherrschte Tochterunternehmen Teil des einheitlichen Vermieters sind. Dann müssen auch die Konzern wieder ihre tatsächlichen Kosten belegen.“ Außerdem müsse gesetzlich geregelt werden, dass die Vermieter die Einnahmen für die Nebenkosten getrennt von der Grundmiete treuhänderisch verwalten. „Dann wäre die Nichtweiterleitung von Mieterzahlungen strafbar. Und außerdem gäbe es eine viel bessere Grundlage für die Kontrolle der Nebenkosten durch Mietergemeinschaften.“  Wünschenwert sei,  dass die Mieterschaften bei Serviceleistungen, die sie bezahlen müssen, auch mitbestimmen können.

GEMEINSAM GEGEN RECHTS

In einem Punkt waren sich MieterInnenverein und Lay völlig einig: „Es ist erschütternd, wie viele von Mieterhöhungen geplagte Mieter ausgerechnet AfD wählen, obwohl diese Partei den Mieterschutz radikal abbauen und den Sozialen Wohnungsbau ganz abschaffen will.“

Dazu Lasse Wichert, Mitglied des Vorstandes des MieterInnenvereins Witten: „Die AfD verfolgt nicht nur eine migrations- und menschenrechtsfeindliche Agenda, sondern zugleich auch ein marktradikales Programm, das die sozialen Rechte der BürgerInnen missachtet und staatliche Daseinsfürsorge zu privater Selbstsorge umgestalten will. Ihr Vorschlag zur Lösung der Wohnungsnot lautet Abschiebung und Leugnung des Klimawandels. So würden Wohnungen frei und beim Neubau müsse man keine energetischen Faktoren mehr berücksichtigen.“

ZWEITSTIMME FÜR DIE LINKE – ERSTSTIMME FÜR ECHEVERRIA

Der MieterInnenverein Witten stellte abschließend fest, dass im Vergleich zu den anderen Bundestagsparteien die wohnungspolitischen Übereinstimmungen mit der Linkspartei am weitestgehenden seien. Neben der AfD seien auch FDP und CDU wegen ihrer markradikalen Politik für die MieterInnen nicht wählbar. Mit allen demokratischen Parteien suche man aber das Gespräch über notwendige Reformen.

Bei der Erststimme unterstützt der MieterInnenverein Witten Axel Echeverria von der SPD. „Wir denken: So wie Caren Lay aus der Opposition Interessenvertreterin aller MieterInnen sein kann, trauen wir Axel Echeverria zu, dass er sich ganz besonders für die sozialen Interessen der Menschen in Witten einsetzt und der AfD genauso wie die Linken die Stirn bietet“, sagte Knut Unger.

Mit Echeverria sind am 6. Februar Vor-Ort Veranstaltungen der MieterInnenvereins in Annen geplant.