Offener Brief an Martin Schulz und die SPD: Mieten wirksam begrenzen!

Innerhalb von  zwei Tagen haben sich weit mehr als 50 mietenpolitisch aktive und betroffene Menschen und Organisationen aus verschiedenen Städten im Bundesgebiet diesen Offenen Brief an Martin Schulz un die SPD  unterstützt.

 

An die

Sozialdemokratische Partei Deutschlands

Herrn Martin Schulz

17./19.1.2018

 

Offener Brief

Ohne eine wirksame Politik gegen Mieterhöhungen wird die SPD weiter an Zustimmung verlieren

Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrter Herr Schulz,

am 12. Januar präsentierten Sie das Ergebnis Ihrer Sondierungsgespräche zur Aufnahme von Koalitions-verhandlungen mit CDU und CSU. Angesichts der starken Mietensteigerungen, denen die Menschen in vielen Städten ausgesetzt sind, halten wir die Aussagen zum Mietrecht in diesem Papier für völlig unzureichend.

Es können niemals so viele Sozialwohnungen neu gebaut werden, wie derzeit preiswerte Wohnungen durch maßlose Mieterhöhungen bei Bindungsende, bei Wiedervermietungen und in Folge von Modernisierungen wegfallen. Für die Wohnungsversorgung von Menschen mit begrenzten Einkommen ist deshalb der Erhalt günstiger Mieten für den bestehenden Wohnraum mindestens ebenso wichtig wie bezahlbarer Neubau. Vor allem kurzfristig. Eine wirksame Begrenzung des Mietenanstiegs würde außerdem die Steigerung der Immobilien- und Baulandpreise dämpfen und damit den Neubau verbilligen.

Um der Mietenexplosion in den nächsten Jahren zu begegnen, muss die neue Bundesregierung vier dringende gesetzgeberische Aufgaben erfüllen:

  1. Aus Mieterhöhungstabellen müssen echte Mietspiegel werden: In die Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmieten, wie sie in Mietspiegeln abgebildet werden, müssen in Zukunft alle frei vermieteten Mietwohnungen einer Stadt einbezogen werden, nicht nur die Wohnungen, bei denen in den letzten vier Jahren die Miete erhöht oder neu vereinbart wurden. Nur bis zu dieser neu definierten ortsüblichen Vergleichsmiete darf eine Mieterhöhung zulässig sein. In der letzten Legislaturperiode versuchte Justizminister Heiko Maas vergeblich, die Erhebungsgrundlage für Mietspiegel auf 8 Jahre zu erweitern. Im Sondierungspapier findet sich zu dieser zentralen Frage nichts.
  2. Die Kappungsgrenzen für Mieterhöhungen müssen abgesenkt werden. Es ist nicht einsichtig, warum die Mieten bei laufendem Vertrag Jahr für Jahr weit über den Zinssätzen und Inflationsraten steigen dürfen, ohne dass der Vermieter dafür irgendetwas leistet. Auch hierzu findet sich im Sondierungspapier nichts.
  3. Die unwirksame Mietpreisbremse muss durch verbindliche Mietobergrenzen ersetzt werden. Weil es bei der Mietpreisbremse so viele Ausnahmen gibt, weil sie nicht automatisch und nicht flächendeckend gilt, hat sie in den letzten Jahren versagt. Wenn nun laut Sondierungspapier nicht etwa diese Konstruktionsfehler, sondern die Begrenzung des Mietenanstiegs bei Neuverträgen generell auf den Prüfstand gestellt werden soll, ist das nichts als Mieterhöhungspolitik. Wir brauchen das genaue Gegenteil: Eine Weiterentwicklung der schlechten „Bremse“ zu flächendeckenden Mietoberwerten, die auch für die Wiedervermietung gelten und die sich an den neu definierten ortsüblichen Vergleichsmieten orientieren. Sie dürfen sich zumindest nicht weit von ihnen entfernen. Diese Mietpreisobergrenzen müssen bundesweit gelten. Sonst haben die Mieterinnen und Mieter ausgerechnet in den Regionen nichts davon, in denen die Mieten jetzt noch mehr oder weniger bezahlbar sind. Im Ruhrgebiet zum Beispiel. Bei einer flächendeckenden Regelung gibt es auch keine verfassungsrechtlich angreifbare Ungleichbehandlung der Vermieter.
  4. Das Sonder-Mieterhöhungsrecht nach § 559 BGB muss abgeschafft, zumindest deutlich verändert werden. Angesichts niedrigster Zinsen und vieler Wohnungssuchender ist die Möglichkeit einer jährlichen Belastung mit 11 Prozent der Baukosten eine Einladung zum Gelddrucken, die nicht zuletzt von großen Wohnungskonzernen schamlos und systematisch ausgenutzt wird. Dadurch treiben sie die Mieten weit über das Maß hinaus, das sozial verträglich und wirtschaftlich erforderlich wäre. Die Modernisierungen mit ihren horrenden und kaum überprüfbaren Mieterhöhungen werden in immer mehr Städten zum Schrecken Nummer 1 für Mieterinnen und Mieter.Deshalb ist es gut und richtig, dass das Sondierungspapier eine Absenkung der 11 Prozent-Regelung vorsieht. Leider schweigt es darüber, wie stark die Absenkung sein soll. In der letzten Regierung ist Justizminister Maas bereits mit dem Versuch gescheitert, die „Umlage“ auf 8 Prozent zu senken. Um den Missbrauch der Modernisierung zu beenden, dürfte die jährliche Mieterhöhung höchstens 4 Prozent  der Investitionen betragen, die nachweislich für die Verbesserung der Wohnung notwendig waren.Damit die Vermieter nicht weiterhin Instandhaltungen als Modernisierungen ausgeben können, muss gesetzlich klargestellt werden, dass die Ermittlung des abzuziehenden Erhaltungsaufwands anhand von Alter und Verschleiß der einzelnen Bauteile erfolgt.Energetische Modernsierungen müssen sich auch für die Mieterinnen und Mieter rechnen. Mieterhöhungen weit über der Energiekosteneinsparung hinaus müssen deshalb gesetzlich ausgeschlossen werden.Die Grenze der wirtschaftlichen Härte in Folge einer Modernisierungsmieterhöhung muss klar auf einen Betrag von 30 Prozent der Warmmietenbelastung des Nettoeinkommens festgesetzt werden. Modernisierungsmieterhöhungen, die deutlich über dieser Quote liegen, dürfen nicht zulässig sein.

Werden diese wichtigen Reformen und die ebenfalls erforderliche Offensive für einen sozialen und gemeinnützigen Wohnungsbau nicht schnell umgesetzt, wird es in Deutschland zu einer weiteren Zuspitzung der Wohnungskrise und zu weiteren Mietsteigerungen kommen. Die Wählerinnen und Wähler werden vor allem die SPD für die Folgen verantwortlich machen.

Ohne die Möglichkeit einer wirksamen Politik gegen die Mietenexplosion wäre die Regierungsbeteiligung für die SPD politischer Selbstmord.

 

mit herzlichen Grüßen

Knut Unger, Sprecher  MieterInnenverein Witten | Horst Arenz, Mietenvolksentscheid Berlin | Michaela Krüger, Sprecherin Wohntisch Berlin-Pankow | Hans Philipp, Berlin | Anne Eberle, Fraktionsvors. DIE LINKE BV Do Innenstadt-West| Dr. Johannes Otto Riedner, Berlin |Gertraud Cölsche, Mieteranwältin, Dortmund/Witten | Gisela Emons, Vorstand Bürgerhaus MüTZe, Köln-Mülheim| Karlheinz Paskuda, Mieten-Aktivist, Mannheim | Andrea Kulke, Köln |Britta, Mieterini Südwest Berlin |Tanja Richter, Bündnis Deutsche Wohnen-MieterInnen Berlin | Werner Eggert, Köln | Dr.h.c. Dipl.-Ing. Alfons Alois Sterz | Prof. Dr. Sebastian Schipper, FU Berlin | Susanne Heeg, Frankfurt a.M., Sozialwissenschaftlerin | Stadtteilbüro Berlin-Friedrichshain | Bruno Wortmann, Deutscher Mieterbund Wuppertal | Peter Born, Tourist Guide, Berlin | Pia Runge, Mieterrat Vonovia Wit-Heven | Ernst Knuth, Peter Weitzel, MV Wit LEG-Wohngebietsgruppe Annen | K.-H. Schemper-Shauwe, R. Wetklo, Gelsenkirchen HAMI-Mieterinitiative | Tobias Schmitz, Frankfurt, wohnungspol. Sprecher Mieter helfen Mietern Frankfurt e.V.  | Rainer Stücker, Geschäftsführer, Tobias Scholz, wohnungspol. Sprecher, Mieterverein Dortmund und Umg. e.V.| Michael Scheffer, Mitglied BV Innenstadt Köln | Rita Zachraj, Mieterbeirat LEG Dorsten-Barkenberg | Stefan Borggraefe, Vors. KV PIRATEN En-Ruhr | Susanne Grimme, Rechtsanwältin, Münster | Ingrid Marek, Hans-Dieter Eisele, Danielle Drosdowski, Vernetzung Bremer MieterInnen | RAin Eileen Munro, Vors. , Thomas Klempau, Geschäftsf. DMB Mieterverein Lübeck | Winfried Kropp, Vorstandsmitgl. Mieterbund Bodensee u.  SPD-KV Konstanz |Karin Gehrke, Vors. im Verein Aktive Erwerbslose Herford e.V. | Bündnis der Deutsche WohnenmieterInnen Berlin | Bündnis  Otto-Suhr-Siedlung & Umg.  Berlin-Kreuzberg) | Jonas Cölsche, Kierspe | Sylvia Munzel, Bremen| Mary Kilian | Christel Hoffmann, stellv. Vors. Mieterverein Regio Freiburg |  Margit Heilmann, Geschäftsf. Mieterbund Darmstadt | Mieterverein Bochum, Hattingen und Umg. e.V. |Dr. Martina Keilbart, Mieter*innenbeirätin im Wellensiek, Bielefeld | Ulrich Ropertz , Geschäftsführer  Deutscher Mieterbund e. V.  

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