Am heutigen Donnerstag, 7. März 2019, hat der größte börsennotierte Vermietungskonzern Europas, die Vonovia SE, ihren Geschäftsbericht für das Jahr 2018 präsentiert. Demnach stieg der operative Gewinn (FFO1) auf 1,07 Mrd. Euro (Vorjahr: 920,8 Mio. Euro. Es soll eine Dividende in Höhe von 746 Mio. Euro an die Aktionäre ausgeschüttet werden, was einem Plus von 9 % je Aktie entspricht. Die Plattform kritischer ImmobilienaktionärInnen wirft der Vonovia vor, dass die Rendite auf zusätzlichen Belastungen der MieterInnen beruht. Von jedem Euro Miete fließen etwa 38 Cent an die AktionärInnen. Beim Börsenstart der Annington im Jahr 2013 waren es nur 23 Cent.
Die monatliche Ist-Miete der Vonovia in Deutschland stieg gegenüber dem Vorjahr um 4,4 % auf jetzt durchschnittlich 6,52 €/m². Für das Jahr 2019 erwartet der Vorstand eine erneute Erhöhung um diesen Prozentsatz. Seit dem Börsengang sind die Mieten der Vonovia bereits um 20 % gestiegen, – ein Durchschnittswert, hinter dem sich zum Teil extreme Mietensprünge verbergen. Trotzdem sprach Vonovia-Chef Rolf Buch bei der Bilanz-Pressekonferenz am 7. März von einer Mietsteigerung „im Rahmen der Inflationsrate“, wobei er die extremen Mietsteigerungen durch Modernisierung geflissentlich wegließ.
Der Anteil der Modernisierungen und Baumaßnahmen an den Mietsteigerungen betrug im letzten Jahr 66 % (Vorjahr 61%). Hinter dieser Zahlen verbergen sich: Rentnerinnen in Existenznöten, Familien, deren Urlaub gestrichen wurde, NachbarInnen, die fortzogen und eine zusätzlicher Verlust an dringend benötigten preiswerten Wohnungen. Zu diesen Konsequenzen des Geschäftsmodells nahm der Vonovia-Vorstand bei der Bilanz-Pressekonferenz aber nicht Stellung. Stattdessen versuchte er den immensen Reputationsschaden, der durch katastrophal geplante und überteuerte Baumaßnahmen ausgelöst wurde durch eine Fülle von schönen Geschichten über Modellprojekte und Planungen in Deutschland, Österreich und Schweden zu überdecken.
Da die Modernisierungspolitik der Vonovia im ganzen Lande zu immer mehr Mieterprotesten führte, musste das Management im Dezember 2018 die Reißleine ziehen und die für 2019 und 2020 geplanten Gebäudemodernisierungen mit Mieterhöhungen von über 2 Euro pro Quadratmeter streichen. Das bedeutet eine gewisse Mäßigung im Einzelfall. Da die Vonovia aber weder ihre Renditeziele noch ihre Investitionen in den Wohnungsbestand reduzieren will, handelt es sich voraussichtlich lediglich um eine Umverteilung und breitere Streuung der Mieterhöhungen, vor allem zu Gunsten der Wohnungsprivatisierungen, die weniger kollektive Proteste provozieren. Mietervertretungen werfen der Vonovia vor, bei der Abrechnung zum Beispiel von Heizungsmodernisierungen durch eigene Tochterunternehmen extrem hohe Kosten für die Gesamtmaßnahmen und die einzelnen Bauteile anzusetzen. In nachgewiesenen Fällen wurden die mieterhöhungswirksam abgerechneten Leistungen nicht einmal durchgeführt.
Auch im Bereich der Nebenkosten werfen Mieter der Vonovia vor „Phantomabrechnungen“ vorzunehmen, so beim Winterdienst, Teilen der Gartenpflege und bei den sogenannten Hausmeistern. Diese von unterschiedlichen Vonovia-Töchtern durchzuführenden Leistungen gehören zu einem wachsenden Geschäftsbereich, den die Vonovia „Value Add“ nennt. Die Gewinne aus diesem Bereich stiegen im Jahr 2018 deutlich auf 121 Mio. Euro (Vorjahr: 102 Mio. Euro) und liegen damit weiterhin bei etwa 8 % des operativen Gesamtgewinns vor Steuern. Buch bezeichnete diesen Sektor als ist Bereich, wo die „unternehmerische Innovationskraf“t steckt. Er nannte dann Photovoltaik und Paketabholboxen als Beispiel. Mieter dürfen sich auf einen Vermieter freuen, der sich um alles kümmert, was Geld bringt.
Die Vonovia, soviel wurde in der Pressekonferenz klar, will sich mehr als bisher als „sozialer“ Partner der Wohnungspolitik darstellen. Dabei geht es nicht um Imagepflege und die Abwendung drohender politischer Maßnahmen. Es geht auch darum, zusätzliche Einnahmefelder zu erschließen.
Eines dieser Einnahmefelder ist die Bereitstellung von ehemals sozial gebundenen Wohnraum. Die Vonovia berichtet über zahlreiche Gespräche über die Zurverfügungstellung von Belegungsrechten an die Städte. Natürlich wird das nicht kostenlos sein. Ein anderer Bereich ist der Einstieg in den öffentlich geförderten Wohnungsneubau. Mit der Übernahme der österreichischen BUWOG hat die Vonovia dafür zusätzliche Kapazitäten eingekauft. Die Vonovia spricht davon, dass aufgrund der hohen Grundstückskosten eigentlich nur Kombinationen von Eigentumsmaßnahmen mit Mietwohnungsbau rentierlich seien. Ein Teil der Wohnungsbauförderprogramme der Länder, zum Beispiel im rot-rot-grünen Berlin, sei völlig uninteressant. Da bekomme man die Kredite aus dem Markt günstiger. „Extrem gut“ sei aber das Förderprogramm im CDU/FDP-regierten NRW. Kunsstück, hier gibt vom Land neben 0% Zinsen auch noch Zuschüsse für Wohnungen, die nur zeitweise gebunden sind und deshalb das Vermögen des Konzerns auf Dauer zu Lasten der Steuerzahler mehren.
Neben der auffälligen Bemühung um „positive Nachrichten“ und einer Selbstdarstellung als sozialem Wohnungsunternahmen weisen auch die eher stabilen Kennziffern darauf hin, dass es für die Vonovia schwieriger wird, die hohen Gewinne noch weiter zu steigern. Große Sprünge ließen sich nur mit großen Zukäufen mache, und die sucht Vonovia nun im Ausland. Besonderer Schwerpunkt des Interesses bleibt Schweden, wo man übrigens mindestens so günstige Bedingungen für Modernisierungsmieterhöhungen vorfindet wie in Deutschland. Aber Buch zeigt sich auch extrem interessiert and dem „größten Wohnungsmarkt Europas“, der Ile-de-France. Die Gegend um Paris habe dreimal so viele Wohnungen wie die acht größten Städte Deutschlands zusammen genommen. Noch sei der Zugang zu den öffentlichen gebundenen Sozialwohnungsbeständen in Frankreich blockiert. Man warte darauf, dass sich das ändere. Um Aufkäufe in den Niederlanden werde man sich dagegen nicht aktiv bemühen. „Bei einem Anruf aus Holland nehmen wir aber ab“, sagte Buch.
Ist dieses Interesse an Privatsierungen in den Nachbarländern bereits eine Reaktion darauf, dass es in Deutschland aufgrund der Wohnungsnot und wachsender Proteste zunehmend ungemütlicher wird für finanzdominierte Wohnungskonzerne? Der geplante Verkauf der Aktien der Deutsche Wohnen, die einst feindlich übernommen werden sollte, erscheint manchen schon als Anzeichen eines Rückzugs. Sicher ist lediglich, dass die Übernahme der Deutsche Wohnen für die Vonovia endgültig keine strategische Option mehr ist. Das Kapital lässt sich für die Vonovia strategischer besser anderswo einsetzen. Gefragt, welche Bedeutung die Berliner Kampagne „Deutsche Wohnen & Co“ enteignen für ihn habe, antwortete Buch, man befinde sich unter den „Co“ in einer großen Gemeinschaft, auch mit der katholischen Kirche. Die Sorgen, die sich in solchen Forderungen ausdrücke müsse man aber ernst nehmen und mehr bauen.
Auf die Frage nach seinen tatsächlichen Bezügen als Konzern-Chef und Mitprofiteur der Mieterhöhungen musste Buch bei der Presskonferenz lange nach einer Antwort in den Unterlagen suchen. Er verhaspelte sich mehrfach. Am Ende sagt er, es seien 4,7 Mio. Euro.
Mieterorganisationen bereiten rechtzeitig zur Aktionärsversammlung im Mai eine Veranstaltung vor, auf der der Vonovia ihre systematischen Abrechnungstricks gebündelt vorgeworfen und belegt werden sollen.
Die Plattform kritischer ImmobilienaktionärInnen fordert einen Verzicht auf die hohe Dividendenausschüttung. Die unternehmerische Wohnungswirtschaft darf die Wohnkosten nicht weiter antreiben. Ihre Aufgabe muss es sein, preisgünstigen Wohnraum zu erhalten und neu zu schaffen. Wenn sie dazu aus eigenem Antrieb nicht bereit ist, muss der Gesetzgeber einschreiten. Ein Geschäftsmodell, das auf dauerhaft hohen und steigenden Belastungen der begrenzten Einkommen der MieterInnen beruht, ist mit der Sozialpflichtigkeit des Eigentums nicht vereinbar.
siehe auch:
RSL Standpunkte: Der Konflikt mit der Vonovia spitzt sich zu. Ist das Geschäftsmodell des Immobilienkonzerns mit der Sozialpflichtigkeit des Eigentums vereinbar?
https://www.rosalux.de/fileadmin/rls_uploads/pdfs/Standpunkte/Standpunkte_03-2019.pdf
1 Gedanke zu “Vonovia Geschäftsbericht 2018: Dividenden auf Kosten der Mieter”
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