Neue Mieterhöhungswelle der LEG in Witten

Sanierung auf Kosten der MieterInnen /  Verdrängung im „Wiesenviertel“ befürchtet

Die LEG Immobilien AG, mit etwa 1.600 Wohnungen der größte private Vermieter in Witten und die Nummer 3 bundesweit, hat an drei Standorten mit 35 Wohnungen in Witten-Mitte und Witten-Annen „Modernisierungen“ von lange vernachlässigten Gebäuden angekündigt. Die Maßnahmen, die im Juni beginnen sollen,  sollen je nach Objekt zu Mieterhöhungen um 25 % – 38 % führen. Im Einzelfall sind es  über 200 Euro. Der MieterInnenverein Witten fordert die LEG auf, über eine sachgerechte Anpassung der Planungen und eine deutliche Reduktion der beabsichtigten Mieterhöhungen  zu verhandeln.

Die gesetzlichen Obergrenzen einer Modernisierungsmieterhöhung (2 €/m², 8 % der Kosten pro Jahr) werden in den uns vorliegenden Fällen voll ausgeschöpft. Nach den Erhöhungen werden die Mieten weit über den Mietspiegelwerten für modernisierten Wohnraum in Witten liegen. Auf diese Weise umgeht die LEG Immobilien AG den aktuellen Mietspiegel, der vor allem wegen ihrer Mietpreistreiberei erforderlich geworden war. Zugleich treibt sie die ortsübliche Vergleichsmiete für alle MieterInnen an. Dies gilt besonders für die Objekte an der Steinstraße 34 und 41, im „angesagten“ Wiesenviertel in der Innenstadt. Hier sollen die Mieten um den Maximalwert von 2 €/m angehoben werden, was je nach Wohnungsgröße zu Mietensprüngen zwischen 134 bis 210 Euro führt. Die meisten Menschen, die in den angegrauten Häusern schon lange leben, können sich das nicht leisten. Sie werden verdrängt.

Dazu führen nicht nur die steigenden Mieten, sondern auch die Art und der Umfang der geplanten Maßnahmen. Unter anderem sollen die Bäder komplett erneuert werden, obwohl die MieterInnen dies nicht für erforderlich halten. Es ist über viele Monate mit Lärm, Schmutz und Stress zu rechen. Die betroffenen MieterInnen, darunter betagte SeniorInnen, sollen Nottoiletten auf dem Hof benutzen müssen. Wahrscheinlich über mehrere Wochen.

Es ist nicht auszuschließen, dass diese extremen Belastungen von Vermieter bewusst einkalkuliert werden. Nach der Modernisierung lassen sich die Häuser an der Steinstraße gewiss zu hohen Mieten weiterverwerten. Sie liegen im lokal angesagten „Wiesenviertel“ in der südlichen Innenstadt, mit guter Anbindung zum Bahnhof und zu Grünflächen. Der MieterInnenverein befürchtet, dass dieses Wohngebiet „gentrifiziert“, d.h. so aufgewertet werden soll, dass sich nur noch Besserverdienende das Wohnen hier leisten können.

Sowohl in der Steinstraße als auch in der Ebertstraße 40 (Annen) sind die MieterInnen über das Vorgehen der LEG entsetzt. Über Jahre und Jahrzehnte wurden an den Häusern nichts getan, nun sollen die Gebäude auf Kosten der Mieter saniert werden. In der Ebertstraße 40 zum Beispiel, einem Punkthaus mit Flachdach mit Baujahr 1971, kam es über 2 Jahre lang zu Dachsschäden, deren Behebung von der LEG immer wieder verschleppt wurde. Jetzt soll das Dach „energetisch“ modernisiert werden, wozu auch eine Asbestsanierung gehören soll.

Auch die wesentlich älteren Häuser in der Innenstadt sind sichtbar vernachlässigt. In der Steinstraße 41 kam es vor Weihnachten zu einem langen Heizungsausfall, der bis Mitte Januar nicht behoben wurde. Der Treppenzugang ist verrottet, bei Regen bilden sich Pfützen, die im Winter zufrieren. Hier will die LEG auf Kosten der Mieter ein Dach anbringen. Die Wohneingangstüren müssten schon lange ausgetauscht werden. Die Stromversorgung weist keine Schutzschalter auf. Aufgrund schlechter Wärmedämmung kommt es immer wieder zu Schimmel. In der Steinstraße 34 gibt es an Innenwänden Risse, Balkone sind erneuerungsbedürftig.

Sanierungen der Gebäude sind also schon lange überfällig. Mieterhöhungen in dem angekündigten Ausmaß sind dafür aber keineswegs gerechtfertigt. Schließlich haben die Mieter seit Jahrzehnten auch für die Instandhaltung gezahlt. Die LEG ist für die Finanzierung der Sanierungen auch nicht auf Mieterhöhungen angewiesen. Von jedem Euro Miete fließen jetzt schon knapp 40 Cent allein in die Dividende.

Zugleich sieht die LEG aber auch Maßnahmen vor, die keineswegs erforderlich sind. So sollen die Mieter in der Steinstraße neue Bäder erhalten, die nicht erforderlich sind. Zum Teil sind auch die alten Iso-Fenster noch völlig in Ordnung.

Die schriftlichen Ankündigungen der Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen enthalten außerdem zahlreiche unzutreffende Angaben zu den Gebäuden und ungenaue Mitteilungen zu den geplanten Maßnahmen. So wird zum Beispiel der erstmalige Einbau von Gegensprechanlagen angekündigt, obwohl diese bereits vorhanden sind. In der Steinstraße 41 ist eine Dämmung des Dachgeschosses, die von der LEG angekündigt wurde, längst vorhanden. Am gleichen Haus soll ein Müllstandplatz errichtet werden, ohne dass mitgeteilt wird, wo dieser Platz errichtet werden soll. Zu befürchten ist eine Zerstörung des Gartens der Mieter. Offensichtlich wurden die Modernisierungsankündigungen verschickt, bevor eine ordentliche Planung abgeschlossen war. Die LEG scheint ihre Häuser überhaupt nicht zu kennen. Ihre Ankündigungen bestehen aus ungeprüft eingesetzten Textbausteinen.

Nach Ansicht des MieterInnenvereins Witten sind die Modernisierungsankündigungen der LEG aufgrund der vielen Unklarheiten rechtlich unwirksam. Dies bedeutet, dass die MieterInnen nicht zur Duldung der Maßnahmen verpflichtet sind. Aber wer traut sich schon, sich konsequent gegen diesen Vermieter zu wehren? Auch unsinnige Modernisierungsankündigen erfüllen ihren Verdrängungszweck. Zu den Mieten, die die LEG durchsetzen will, findet man auch anderswo Wohnungen. Die ersten Mieter ziehen aus.

Nicht nur die Ankündigungen, auch die nach Anschluss der Arbeiten folgenden Mieterhöhungen der LEG sind rechtlich umstritten. Derzeit laufen vor dem Amtsgericht Witten mehrere Prozesse der LEG gegen Mieter, die frühere Mieterhöhungen nach Modernisierungen nicht akzeptieren wollen. (Nächster Termin: Do, 18.4., 9:20 Uhr, AG Witten)

Der MieterInnenverein Witten fordert die LEG auf:

  • Die LEG soll ihre hanebüchenen Modernisierungsankündigungen zurückziehen und sie sich erstmal die Häuser ansehen und mit den MieterInnen reden, welche Maßnahmen sinnvoll und sozialverträglich sind!
  • Keine willkürlichen Veränderungen der Wohnungen ohne Zustimmung der MieterInnen!
  • Keine „energetischen“ Modernisierungen, die nicht nachweislich dauerhaft zu entsprechenden Einsparungen bei den Heizkosten führen!
  • Keine Mieterhöhungen, die weit über den Mietspiegelwerten nach Modernisierung liegen!
  • Keine Mieterhöhungen, insofern die Wohnkostenbelastungen über 30 % der Nettoeinkommen der Betroffenen liegen!
  • Durchführung erforderlicher Baumaßnahmen in Abstimmung mit den MieterInnen unter Vermeidung unnötiger Belastungen!

Die neue „Modernisierungs“welle der LEG zeigt, dass die Gefahr einer sprunghaften Anhebung der Mieten in Witten auch nach der Mietrechtänderung zum 1.1.2019 keineswegs gebannt ist. Die Stadt Witten muss endlich wie in Berlin Milieuschutzsatzungen erlassen, um Vertreibungsmodernisierungen wie in der Steinstraße zu verhindern und Vorkaufsrechte auszuüben.

Und: Unsere ehemaligen Werks- und Sozialwohnungen gehören nicht in die Hand von Börsenkonzernen! Wenn die PolitikerInnen nicht bald dafür sorgen, dass die Willkür der Großvermieter unterbunden wird, führt kein Weg daran vorbei, dass auch in NRW der Ruf nach Enteignung und Sozialisierung um sich greift.