Für eine soziale wohnungspolitische Wende in NRW

Aus Anlass des Housing Action Day 2020 (28. März 2020) hat der MieterInnenverein Witten dieses Positionspapier beschlossen. Da große Teile der wohnungsrelevanten Gesetzgebungskompetenz auf Landesebene liegen, ist die Forderung nach einer sozialen wohnungspolitische Wende in NRW unverzichtbar. Die Forderungen werden in die weitere Diskussion der mietenpolitischen Bewegungen eingebracht.

1. Recht auf Wohnung: In die Verfassung und durchsetzbar!

Auch in NRW sind immer mehr Menschen von steigenden Mieten finanziell überfordert, werden aus ihren 8 Wohnungen verdrängt, sitzen auf der Straße, leben in prekären Verhältnissen. Das muss nicht so sein. Jeder 9 Mensch – egal wo er herkommt – hat ein Recht auf eine angemessene Wohnung, die für ihn bezahlbar, 10 rechtlich sicher, zugänglich und zentral gelegen ist. Das Land NRW und seine Kommunen sind verpflichtet, 11 dieses Recht zu schützen, zu erfüllen und gegenüber privaten Wirtschaftsinteressen durchzusetzen. Und 12 wenn sie das nicht tun, dann müssen wir sie dazu bringen! 13

  • Das Recht auf angemessene Wohnung muss in die Landesverfassung aufgenommen werden!
  • Das Recht auf eine angemessene Wohnung muss rechtlich durchsetzbar sein.
  • Die Kommunen müssen durch das Land finanziell, personell und organisatorisch in die Lage versetzt werden, das Recht auf Wohnung für alle ihre EinwohnerInnen – auch Geflüchtete, WanderarbeiterInnen und Leute ohne festen Wohnsitz – zu erfüllen.
  • Menschen dürfen auf längere Zeit nicht in Not- und Sammelunterkünften untergebracht werden.
  • Alle Kommunen müssen vorausschauende Wohnungsversorgungskonzepte entwickeln.
  • Alle Kommunen müssen verpflichtet werden, ausreichend ausgestattete Wohnungsämter zu schaffen, in denen die kommunalen Maßnahmen zur Wohnungsversorgung gebündelt werden.
  • Es müssen kommunale Wohnungsvermittlungen für alle Wohnungen eingeführt werden.
  • Es müssen in allen Kommunen zentrale Fachstellen zur Vermeidung von Wohnungsnotfällen eingerichtet werden, die u.a. die Zusammenarbeit mit den freien Trägern koordinieren.
  • Für die Übernahme von Mietschulden zur Vermeidung von Räumungsurteilen und von Energieschulden müssen mit Hilfe des Landes kommunale Budgets geschaffen werden.
  • Es müssen für unterversorgte Haushalte neue Wohnungen im erforderlichen Umfang beschafft und kommunal belegt werden.
  • Falls erforderlich, müssen bei drohender Obdachlosigkeit die bisherigen oder leerstehende Wohnungen von den Wohnungsämtern beschlagnahmt werden.

2. Höchstmieten gesetzlich festsetzen, Wohnsicherheit verbessern

In den Städten in NRW steigen die Mieten stärker als die Lebenshaltungskosten und Einkommen der Normalverdienenden. Überhöhte Mietforderungen von Privatvermietern und systematisch vorgehende 34 Konzernen treiben die Wohnkosten an. Das individuelle Mietrecht des Bundes ist allein nicht dazu in der 35 Lage, die Mietenexplosion und die davon angeheizte Bodenspekulation zu stoppen. Es muss durch eine 36 Preisregulierung, die unter die Gesetzgebungskompetenz des Landes fällt, ergänzt werden,

  • Für ganz NRW sollen örtlich zulässige Höchstmieten öffentlich-rechtlich festgesetzt werden.
  • Bestehende Mietvereinbarungen, Mieterhöhungen und Neuvertragsmieten oberhalb der Höchstmieten sollen rechtlich nichtig sein. Dies gilt auch für Mieten nach Modernisierungen.
  • Überhöhte Mieten sollen auf die Höchstmieten abgesenkt werden.
  • Kommunale Behörden sollen die Einhaltung der Höchstmieten kontrollieren.
  • Die örtlich zulässigen Höchstmieten sollen unter Beachtung lokaler und wohnungsspezifischer Besonderheiten (unter anderem der Bewirtschaftungskosten, der Unterschiede in der Ausstattung und 44 den Energiekosten) vom Land politisch festgesetzt werden.
  • Die verringerte Kappungsgrenze bei Mieterhöhungen (zur Zeit 15 %) und die Mietpreisbremse müssen 46 landesweit gelten!
  • Die Umwandlung von Miet- und Eigentumswohnungen muss, soweit dies mit Landesmitteln möglich ist, beschränkt werden, zum Beispiel durch Milieuschutzsatzungen. Der Schutz vor Eigenbedarfskündigungen nach Umwandlung muss landesweit auf 10 Jahre angehoben werden.

3. Wohngebäude beaufsichtigen – Wohnungswirtschaft regulieren

Niedrige Zinsen einerseits, die hohe Nachfrage nach Wohnraum auf den unzureichend regulierten Immobilienmärkten andererseits haben Wohnungen zu einer der wichtigsten Anlagemöglichkeit für kleine und große Finanzinvestoren gemacht. Wohnungskonzerne wie Vonovia und LEG steigern systematisch ihre Mieterträge und senken zugleich ihre Kosten. So kommt es zu starken Mietsteigerungen und Vernachlässigungen der Wohnungsbewirtschaftung gleichzeitig. Mietrechtliche Bestimmungen werden durch massenhaftes, systematisches Vorgehen umgangen.
Das Land kann und muss die Wohnungsaufsicht verbessern, durch:

  • ihre Erklärung zur kommunalen Pflichtaufgabe zur Erfüllung nach Weisung,
  • flächendeckende Zweckentfremdungsverordnung, Vorgehen gegen spekulativen Leerstand,
  • Beobachtung des Wohnungsbestandes und vorbeugendes Vorgehen bei Fehlentwicklungen,
  • Information und Beteiligung betroffenen BewohnerInnen,
  • Streichung der Möglichkeit von Razzien in Wohnungen ohne richterlichen Beschluss,
  • im Falle von Unbewohnbarkeit Verpflichtung auf Bereitstellung von Ersatzwohnungen durch die 64 verantwortlichen Eigentümer, ersatzweise durch die Kommunen.

Das Land soll ein Wohnungswirtschaftsgesetz verabschieden, mit dem kollektive Mieterrechte und gesetzliche Grundregeln für das Vermietungsgeschäft eingeführt werden: Alle VermieterInnen müssen über eine ladungsfähige Anschrift im Bundesgebiet verfügen.

  • VermieterInnen müssen für ihre MieterInnen und Behörden erreichbar und zur Vermietung und Verwaltung der Wohnungen befähigt sein. (Einführung einer Nachweispflicht )
  • Nebenkostenvorauszahlungen müssen treuhänderisch verwaltet und zweckbestimmt verwendet werden. Darüber sollen die VermieterInnen rechenschaftspflichtig sein.
  • Gewerbliche VermieterInnen müssen lokal erreichbare Wohnungsverwaltungen mit einem für ihre Aufgaben ausreichenden Bewirtschaftungsbudget aufweisen.
  • Immobilienhaltende Gesellschaften müssen ihre Anteilseigner und wirtschaftlich Berechtigten auf Anfrage von Behörden und ihren MieterInnen komplett offen legen.
  • Immobiliengesellschaften müssen Bauerneuerungsrücklagen für laufende Reparaturen und für bilden. Diese müssen von Behörden und Mieterschaften kontrolliert werden können.
  • Bei größeren Wohnungsunternehmen oder geschlossenen Wohnungsbeständen sollen die MieterInnen das Recht haben, verfasste Mieterschaften zu bilden, die ihre Interessen gegenüber dem EigentümerInnen und Behörden vertreten.
  • Bei Verstößen gegen das Wohnungsaufsichts- und Wohnungswirtschafsrecht müssen die Behörden konsequent mit den Bußgeldern und Ersatzvornahmen vorgehen, mit deren Kosten die verantwortlichen Eigentümer belastet werden.
  • Falls erforderlich, müssen Wohnungen beschlagnahmt, unter öffentliche Zwangsverwaltung gestellt oder enteignet werden.

4. Gemeinnützigkeit, Wohnungsbauförderung, Vergesellschaftung

Als Alternative zur renditegetriebenen Wohnungswirtschaft soll das Land NRW die Voraussetzungen für einen starken und transparenten gemeinnützigen Wohnungssektor schaffen, der sein gesamtes Vermögen dauerhaft für die Ziele und Zwecke sozialer Wohnraumversorgung einsetzt, nur sehr begrenzte Gewinne ausschüttet, unterdurchschnittliche Mieten verlangt und von seinen MieterInnen und der Stadtgesellschaft mitbestimmt wird. Diese Unternehmen sollen zusätzlich zur üblichen Bauförderung Zuschüsse und günstige Baugrundstücke aus NRW-Haushaltsmitten erhalten.

Die soziale Wohnungsbauförderung soll aus Landesmitteln ausgebaut werden. Sie muss ergänzt werden durch ein massives Programm zur Förderung der qualitativ hochwertigen energetischen Verbesserung im Neubau und im Wohnungsbestand, unter Einhaltung von Umweltstandards für den gesamten Lebenszyklus der Produkte und unter Wahrung einer Warmmietenneutralität für die MieterInnen.

Schon um Abwicklungen und Spekulationswellen zu vermeiden, mit denen die Immobilienwirtschaft auf die Maßnahmen unter 1-3 reagieren könnte, muss das Land einen Rechtsrahmen schaffen, der eine rechtzeitige Enteignung und Vergesellschaftung bei sozialverträglicher Entschädigung ermöglicht. Finanzdominierter großer Immobilienbesitz soll gemäß Art. 15 GG (Vergesellschaftung) an gemeinwirtschaftliche, demokratisch verwaltete Träger überführt werden.

Beschluss der JHV 2019, einstimmig bei 1 Enthaltung