Wohnungsverkauf bei Vonovia: Gefahren und Mieterrechte

In der letzten Zeit ist es in Witten zu mehreren Verkäufen von Wohnungsbeständen durch die Vonovia gekommen.  Auch in Bottrop-Welheim  gibt es Hinweise, dass die Vonovia ihre Häuser verkaufen will.  Welche Gefahren drohen den MieterInnen bei einem Verkauf und welche gesetzlichen Rechte haben sie?

Welche Formen des Verkaufs gibt es bei der Vonovia?

Die Vonovia ist ein stark profitorientierter Börsenkonzern. Sie macht ihr Geschäft nicht nur mit Miete und Nebenkosten. Der Handel mit Wohnungen gehört ebenso dazu. Traditionell sieht das Geschäftsmodell der Vonovia zwei Formen von Verkäufen vor:

(1) Für den Einzelverkauf von Wohnungen und Häusern an Selbstnutzer oder Kapitalanleger hat die Vonovia ein eigenes Geschäftsfeld, das sie „Recurring Sales“ („ständiges Verkaufen“) nennt. Bei dem Einzelverkauf von Häusern oder in Eigentum umgewandelten Mietwohnungen erwartet die Vonovia hohe Gewinne. Sie hat aber auch erhebliche Kosten. In der Vergangenheit lief dieses Geschäft nicht so gut wie früher einmal erwartet. Deshalb gibt es viele „anprivatisierte“ Wohnviertel („Schweizer Käse“), in denen die Vonovia sowohl als Vermieterin als auch als Eigentumsverwaltung tätig ist.

(2) Außerdem prüft die Vonovia ständig den Verkauf von Immobilienpaketen, die ihr nicht (mehr) ins Konzept passen, von Vonovia „Non Core“ (Nicht-Kerngeschäft) genannt.  Solche Verkäufe erfolgen vor allem dann, wenn der Vonovia die Bewirtschaftung zu teuer ist, zum Beispiel weil sie wenig Mieterhöhungspotenzial haben oder saniert werden müssen. Es muss aber auch lukrative Verkaufsmöglichkeiten geben. Die Vonovia will auch bei Non-Core-Verkäufen höhere Preise erzielen als dem hohen Buchwert entspricht, den die Vonovia auch diesen Häusern zugeschrieben hat. Das „Non Core“-Portfolio der Vonovia wird vom Vonovia-Management ständig angepasst und wurde so in den letzten Jahren immer wieder aufgefüllt. „Sicherheit“ kann es schon deshalb nicht geben.

Als der durch seine Großaufkäufe stark verschuldete Vonovia-Konzern nach der Zinskrise ins Schleudern geriet und dringend frisches Geld brauchte, versuchte er, auch Immobilienpakete aus seinem Kerngeschäft zu verkaufen. Das ist aber nur begrenzt mit allerhand Hilfskonstruktionen gelungen. Inzwischen hat der Vonovia-Vorstand die Finanzkrise und damit die Sonderverkäufe für beendet erklärt. Wir beobachten in der letzten Zeit jedoch eine Zunahme von „Non Core“-Verkäufen.

Welche Gefahren drohen je nach Verkaufsform?

Grundsätzlich führt jeder private Handel von Vonovia-Wohnungen für die Mieter erst einmal zu zusätzlichen Risiken. Denn der Käufer muss den hohen Kaufpreis finanzieren, und das kann er nur mit höheren Mieten, Einsparungen bei Instandhaltung und Verwaltung, hohen Schulden und/oder schnellen Weiterverkäufen.

In den letzten Jahren hat der Verkauf kleinerer Häuserpakete an „Investoren“ den betroffenen Mietern noch schlechtere Vermieter eingebracht, als es die Vonovia immer schon war. Zum Beispiel werden überhaupt keine Nebenkostenabrechnungen gemacht oder die Reparaturen sind noch seltener. Es kann aber auch zu Modernisierungen mit hohen Mietsteigerungen kommen, die die bisherigen Mieter verdrängen. Oder der neue Eigentümer bebaut die Mietergärten, wie in Witten-Heven geplant.

Wenn einzelne Häuser oder Wohnungen an Privatpersonen verkauft werden, können die Folgen für die Mieter noch übler sein. Denn diese Personen kaufen häufig, um die Wohnungen oder kleinen Häuser selbst zu nutzen. Dann können sie sich für sich oder für Angehörige in einem weiteren Sinne auf Eigenbedarf berufen und den bisherigen Mietern kündigen. Solche Einzelverkäufe muss die Vonovia nicht selbst vornehmen. Sie kann auch ein Immobilienpaket oder ein Wohnquartier an einen Investor veräußern, der dann die Wohnungen in einem zweiten Schritt einzeln privatisiert. In früheren Zeiten gab es gerade im Ruhrgebiet „Umwandler“, die dabei besonders rabiat vorgingen und zahlreiche Mieter vertrieben.

Welche Rechte haben die Mieter bei einem Verkauf?

Der wichtigste Grundsatz lautet: „Kauf bricht nicht Miete“. Der bisherige Mietvertrag gilt nach einem Verkauf weiter. Der Käufer tritt in alle Rechte und Pflichten ein. Keinem Mieter kann nur aufgrund eines Hausverkaufs gekündigt werden. Schäden muss der Käufer ebenso reparieren wie die Vonovia.

Die Mieter haben bei einem Verkauf in der Regel kein gesetzliches Vorkaufsrecht. Eine Ausnahme ist, wenn die Wohnungen in Eigentumswohnungen umgewandelt wurden und dann verkauft werden.

Was droht bei Einzelverkauf?

Will die Vonovia oder eine Zwischenerwerberin die Wohnungen an einzelne Personen oder Familien verkaufen, hat sie zwei Möglichkeiten: Sie kann die Gebäude in Teileigentum (Eigentumswohnungen) umwandeln und diese verkaufen. Oder sie kann einzelne Grundstücke mit kleinen Häusern verkaufen.

Im ersten Fall (Umwandlung) haben die Mieter besondere gesetzliche Schutzrechte. Wird die umgewandelte Wohnung zum ersten Mal verkauft, kann den bisherigen Mietern für einen Zeitraum von drei Jahren nach diesem ersten Verkauf nicht wegen Eigenbedarfs gekündigt werden. Das ist Bundesrecht. Die Bundesländer können längere Schutzfristen festsetzen. Diese gilt aber für das Ruhrgebiet zumeist nicht.

Wird ein ganzes Haus verkauft, gilt überhaupt keine Kündigungssperrfrist.  Kann der Erwerber Eigenbedarf anmelden, kann er den Mietern einzelner Wohnungen kündigen. Hat er Eigenbedarf für mehrere Angehörige kann es auch mehrere Wohnungen oder ein ganzes kleines Haus treffen.

Eine Eigenbedarfskündigung darf nicht vorgetäuscht sein. Die Kündigungsfrist richtet sich nach der Dauer des Mietverhältnisses. Sie kann bis zu neun Monate betragen.

Rechte bei Eigenbedarf

Gegen die Kündigung kann der Mieter Widerspruch einlegen, wenn sie für ihn eine Härte bedeutet. Dieser Widerspruch muss spätestens drei Monate vor dem Kündigungstermin erhoben werden.  Der Eigentümer kann dann auf Räumung klagen. Im Räumungsprozess wägt der Richter die Interessen von Mietern und Eigentümern ab. Häufig kommt es zu Fristverlängerungen und zur Zahlung von Abfindungen.

Ohne gerichtliches Räumungsurteil muss man auf keinen Fall ausziehen. Auch nach einem Räumungsurteil kann man noch Schutz beantragen, zum Beispiel weil man trotz Bemühung keine Wohnung gefunden hat. Kaufinteressenten sollte man darauf hinweisen, dass man seine Rechte nutzt.

Mobbing und Konflikte

Neben dem legalen Vorgehen kommt es bei Einzelprivatisierungen leider oft auch zu illegalen Machenschaften, Mobbing und Nachbarschaftsstreitigkeiten. Vor allem unklare Gartennutzungen und Wegerechte werden oft zu Zankäpfeln. Probleme bereiten auch Umbauten und Modernisierungen. In den Hausgemeinschaften und Nachbarschaften kommt es nicht selten zu psychisch sehr belastenden Spannungen. Da helfen dann Mieterrechte wenig.

Eine besondere Bedrohung stellt auch die rechtliche Bestimmung dar, wonach der in einem 2-Familienhaus wohnende Eigentümer seinem Mieter in diesem Haus ohne Grund kündigen kann, wenn auch mit einer drei Monate längeren Frist.

Gefahren für Käufer

Aber nicht nur für Mieter, auch für Familien, die Wohnungen oder Häuser erwerben kann der Einzelverkauf zu großen Problemen führen. Sie müssen nicht nur den hohen Kaufpreis aufbringen und Kredite abstottern. Sie sind auch für die Instandsetzung der Häuser und für die jährlichen Betriebs- und Heizkostenabrechnungen verantwortlich.

In Bottrop-Welheim müssen sie sich an den strengen Denkmalschutz halten. Um- und Anbauen sind kaum gestattet. Außerdem müssen Erwerber wahrscheinlich in den Contractingvertrag zur Wärmelieferung mit Techem eintreten. Sie können sich dann jährlich mit dieser Firma und ihren Mietern rumschlagen.

In den nächsten Jahren führt überall kein Weg daran vorbei, die Wärmeversorgung komplett zu erneuern. Das kann teuer werden.

Nicht selten sind die Erwerber von Arbeiterhäusern mit all diesen Herausforderungen überlastet. Es kommt zu Insolvenzen, Zwangsversteigerungen, zerstrittenen Nachbarschaften und Familien.

Was sollten wir von Vonovia fordern?

Am besten sollte zu keinen Verkäufen kommen. Noch besser wäre, die Wohnungen würden von der städtischen Wohnungsgesellschaft oder einer Genossenschaft zu einem fairen Preis übernommen oder die Immobilien der Vonovia würden durch ein Gesetz vergesellschaftet.

Für alle Fälle sollte von der Vonovia verlangt werden, dass sie vorab Kündigungen wegen Eigenbedarfs durch Mietvertragszusatz ausschließt. In einem Wittener Fall hat sie dies bereits erklärt. Auch andere Kündigungsgründe sollten eingeschränkt, Gartennutzungen in den Mietverträgen abgesichert werden.