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Nr. 34


Europas größter Spekulant 

Das Ruhrgebiet steht Kopf: Viterra AG verkauft 5000 Wohnungen im Jahr

Die Mieter-Initiativen in den Siedlungen der Viterra AG, des größten Wohnungskonzerns in Deutschland, sind empört. Proteste, Gespräche und auch der Versuch, Wohnungen in neuen Mietgenossenschaften zu übernehmen, haben nur kleine Erfolge gebracht. Die Immobilien-Tochter des Veba-Konzerns (E.ON) will weiterhin jedes Jahr bis zu 5000 Mietwohnungen verkaufen. Außerdem werden weiter Billig-Eigenheime in Mietergärten gesetzt. 

„Wohnen bei Viterra ist zu einem Risiko geworden“ klagten Kleinaktionäre aus der Mieterschaft bei der letzten Aktionärsversammlung der Veba AG im Mai. Die meisten Aktionäre ließ es kalt. Nach der Fusion von Veba mit Viag zu E.ON soll das Umwandlungsgeschäft weiter ausgebaut werden.

Die Viterra AG steht in den Startlöchern, noch mehr öffentliche Wohnungsunternehmen in anderen Bundesländern aufzukaufen und dann umzuwandeln. Auch zum Sprung auf die europäischen Immobilienmärkte setzt der Wohnungsgigant bereits an. 

Das mieterfeindliche Verhalten des früheren Veba-Konzerns ist eigentlich nichts neues. Bereits in den 70er Jahren sollten ganze Bergarbeitersiedlungen abgerissen werden. Damals aber konnten das starke Mieterbewegungen verhindern. Heute sind die Profitinteressen ungleich stärker, Bindungen an Bergbau und Stahl sind ebenso verschwunden wie die Regeln der einstigen Wohnungsgemeinnützigkeit.

Vor etwa zwei Jahren begann die Veba/Viterra mit ihrer neuen, groß angelegten Privatisierungswelle. Von Dortmund bis Oberhausen überrumpelte sie die Mieter mit ihren Verkaufsplänen. Auf der Strecke blieb zum Beispiel die Siedlung Dönhoffstraße in Witten, veräußert an den Bochumer Makler Häusserbau. 

Der verkauft die Haushälften mit deftigen Preisaufschlägen weiter. Reden läßt er mit sich kaum. Im Einzelfall werden auch Mieter die Vermieter ihrer Nachbarn. Viele Bewohner haben die Siedlung bereits verlassen. In einigen Häusern gibt es Ärger mit Umbaumaßnahmen. Gefährdet sind vor allem Mietergärten und - Garagen. Wenn neue Eigentümer diese für sich nutzen wollen, kommt es auf den Mietvertrag an. 

Um wenigstens die Gestalt der Siedlung und einige Gärten zu erhalten, forderten MieterInnenverein und Bewohner von der Stadt die Aufstellung eines Bebauungsplans. Bei der Stadt sah man wohl den Bedarf, etwas gegen die zu erwartende Einzäunung der Grünanlagen und die Errichtung von Car-Ports in Mietergärten zu unternehmen. Gleichwohl winkte die Stadt ab: ein Bebauungsplan werde vor Gericht am Widerstand der Eigentümer scheitern. 

Dennoch sind die BewohnerInnen nicht rechtlos. Wer sich nicht alles gefallen lässt, kann vielleicht gerade bei neuen Einzeleigentümern mehr erreichen als bei dem alten Konzern. 

Seit etwa zwei Jahren wandelt Veba auch alte Zechenhäuschen und Sozialwohnungen in Eigentumswohnungen um. Danach werden sie den Mietern zum Kauf angeboten. Die Preise sind überzogen, zumal die Mieter ihre Häuser oft selbst modernisiert haben. Aber der Vermieter spekuliert mit der Angst der Leute. Kaufen die Mieter nicht, können die Wohnungen nämlich auch an andere Eigentümer gehen. 

Kaum eine Siedlung, in der die Mieter nicht empört sind. Von Dortmund über Hattingen bis Oberhausen haben sich zahlreiche Mieterinitiativen gebildet. In Gelsenkirchen-Hassel bilden 30 Mieter den Kern einer starken Bürgerinitiative, die immer wieder Hunderte von Bewohnern mobilisiert. Zusammengeschlossen haben sich die Initiativen im „Aktionsbündnis der Veba-Mieter“. Das zeigte zunächst Wirkung. 

Die Hasseler Initiative wurde von Land und Stadt bei ihrem Versuch unterstützt, eine neue Genossenschaft zu gründen, die die Häuser übernimmt. Viterra sagte zu, die Verkaufspläne zurückzustellen. Aber dann konnten sich die Beteiligten nicht über den Preis einigen. Die Mieterinitiative lehnt Genossenschaftsanteile von 10.000 Mark und mehr ab, weil das ärmere Mieter ausgrenze. Sie will auch eine richtige Mietergenossenschaft und nicht eine Eigentümergenossenschaft, aus der die Genossen unter Mitnahme ihres Hauses später aussteigen können. 

Die Vorstellungen der Mieter aber sind unter den gegebenen gesetzlichen Bedingungen nur schwer zu finanzieren. Obwohl weitere Gespräche vereinbart waren, brach die Viterra dann in den Sommerferien alle Absprachen und überrumpelte die Mieter in Hassel mit schriftlichen Kaufangeboten, dem Einsatz eines „Info-Mobils“ und lästigen Anrufen.

Mieter berichten: Gezielt wurden Nachbarn, die nicht gleich jedes Gespräch ablehnten, als angebliche Kaufinteressenten gegeneinander ausgespielt. Schnell kam aus zu Streitigkeiten, wem welches Grundstück zusteht. 

„Genau solche Zustände wollten wir verhindern“, sagt Susanne Boymanns von der Initiative. „Was hier jetzt passiert, ist schlimmer als alle unsere Befürchtungen.“

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