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Nr. 34


Kniefall vor Hausbesitzern

Mietrechtsentwurf der Bundesregierung schwächt Kündigungsschutz

Aus der seit langem diskutierten „Mietrechtsvereinfachung“ ist plötzlich eine empfindliche Verschlechterung des Kündigungsschutzes geworden. Ohne nähere Beratung genehmigte das Kabinett im Juni einen Gesetzentwurf der Justizministerin, der in wichtigen Punkten von den Vorentwürfen abweicht - zum Nachteil der Mieter. 

Verbesserungen

Von den wichtigen positiven Veränderungen sind übriggeblieben:

Partner dürfen bleiben: Unverheiratete Paare, auch schwule oder lesbische, werden gleichgestellt. Nach dem Tod des Hauptmieters hat der/die unverheiratete PartnerIn in Zukunft Wohnrechte.
An einem Ort: Es gibt eine Zusammenfassung der Mietgesetze im Bürgerlichen Gesetzbuch - viel mehr ist an „Vereinfachung“ nicht herausgesprungen.

20 Prozent: Die Kappungsgrenze bei Mieterhöhungen wird von 30 auf 20 Prozent gesenkt. Der Vermieter darf also in drei Jahren nur noch um 20 Prozent erhöhen. Teilweise galt die 20%ige Grenze schon vor ein paar Jahren.

6 Monate: Die Kündigungsfrist für Mieter nach 5 Jahren Mietdauer wird auf 6 Monate gesenkt. Der Vermieter muss weiterhin eine Frist von bis zu einem Jahr einhalten. Von dem ursprünglichen Vorschlag, die Mieterfrist generell auf 3 Monate zu senken, ist also nicht mehr viel übrig. 
Zinserhöhung: Streichung der Möglichkeit, die Mieten im freifinanzierten Wohnungsbau aufgrund gestiegener Zinsen zu erhöhen. Das spielt in der Praxis allerdings kaum noch ein Rolle.

Mietspiegel: Die Verbindlichkeit qualifizierter, das heißt wissenschaftlich erhobene Mietspiegel im Mietprozess wird aufgewertet. Allerdings soll jetzt zusätzlich die Zustimmung der Mieter- und Vermieterverbände notwendig sein. Eine Seite kann damit den Mietspiegel verhindern. Eine kommunale Pflicht zur Mietspiegelerstellung gibt es auch in Zukunft nicht.

Unterlassungen

In ganz wichtigen Punkten gibt es nun doch keine Verbesserungen für die Mieter:

Modernisierung: Einen Totalrückzieher hat die Bundesregierung bei der sogenannten Modernisierungserhöhung gemacht. Es bleibt dabei, dass der Vermieter 11% der Modernisierungskosten auf die jährliche Miete aufschlagen kann. Der Deutsche Mieterbund hatte eine völlige Streichung verlangt, da die Modernisierung ja auch in den Mietspiegeln erfasst wird. Der letzte Vorschlag vor dem Regierungsentwurf war eine Reduktion auf 9%. Aber auch das war den Vermietern noch zu wenig. Sie haben sich durchgesetzt. Die Modernisierung wird nach dem Entwurf sogar erleichtert, besonders bei Energieeinsparungen. Neue Mieterverdrängungen werden die Folge sein. 

Vertane Chancen: Auch die seit langem geforderte Klarstellung zu den Schönheitsreparaturen und zur Begründung eines Eigenbedarfs ist unterblieben. Die Chance, bei den wichtigsten Streitpunkten für mehr Rechtssicherheit zu sorgen wurde damit vertan.

Verschlechterungen

Schlimmer sind aber die folgenden Verschlechterungen:

Schutz nach Umwandlung: Bundeseinheitlich gibt es zwar eine dreijährige Schutzfrist vor Kündigungen nach Umwandlung einer Miet- in eine Eigentumswohnung. Aber: Der Vermieter soll sich in Zukunft von der zusätzlichen 10-jährigen Kündigungsschutzfrist (sie gilt in vom Land bestimmten Ballungsräumen) dadurch freikaufen können, dass er dem Mieter eine Ersatzwohnung anbietet. Was der Mieter als Ersatzwohnraum akzeptieren muss, ist völlig unklar. 
Eine Folge: Privatisierungskonzerne wie Viterra greifen den Kaufwilligen unter die Arme und räumen das Spekulationsobjekt durch Angebote aus ihrem Bestand. Die neue Regelung soll sogar für die gelten, die heute schon umgewandelt sind. Sollte der Paragraph in Kraft treten, wird es eine Prozesslawine geben. Mietrechtsvereinfachung?

Wer „stört“ fliegt: Bei „Störungen des Hausfriedens“ soll MieterInnen in Zukunft auch dann gekündigt werden können, wenn bei ihnen kein Verschulden vorliegt. 
Der Mieterbund befürchtet, dass vor allem Kinderreiche, AusländerInnen, SeniorInnen und alle unbequemen Mieter Opfer dieser Bestimmung werden können. Was eine „Störung“ ist, wird nirgendwo definiert. Dieser Paragraph ist - wie andere - auch verfassungsrechtlich bedenklich. Auch das Sonderkündigungsrecht der Vermieter für Einliegerwohnungen wird ausgeweitet. 

Wohnrecht auf Zeit: In Zukunft wird es neben unbefristeten Mietverträgen nur noch solche befristeten Verträge geben, in denen von Vornherein ein Grund für die Befristung mitgeteilt wird. Ein solcher Grund kann auch eine beabsichtigte „Instandsetzung“ der Wohnung sein, ohne dass dieser Begriff näher erklärt wird. 
Die Gefahr: Vermieter greifen zunehmend zum befristeten Vertrag. Der Mieterbund fordert die Abschaffung aller befristeten Verträge.

Vermieter bestimmt: Der Vermieter kann in Zukunft einseitig auf eine verbrauchsabhängige Betriebskostenabrechnung umstellen, - auch wenn das im Vertrag nicht vorgesehen ist. Was eine solche Abrechnung genau ist, wird nicht geregelt. 

Die Mieter erhalten auch kein Recht, Verbrauchserfassungsgeräte, zum Beispiel Wasseruhren, einzufordern.

Mieterprotest

„Dieser Gesetzentwurf ist ein Kniefall vor den Hausbesitzern“, kommentiert Franz Georg Rips, Direktor des Deutschen Mieterbundes. „Das habe ich von SPD und Grünen nicht unbedingt erwartet.“ 

Die Mieterorganisationen versuchen, während des parlamentarischen Verfahrens noch Nachbesserungen durchzusetzen. 
Bei einer Veranstaltung im September in Berlin zeigte sich die Justizministerin beleidigt ob der Kritik von Mieterseite. Deutlich wurde: Gerade die schlimmsten Verschlechterungen wurden offensichtlich mit so heißer Nadel gestrickt, dass es zu zahlreichen juristischen Ungereimtheiten kommt. Auch über die sozialen Folgen des „Stör“-paragraphen oder der geschwächten 10-Jahres-Schutzfrist scheint sich die Regierung kaum Gedanken gemacht zu haben. 
In den Fraktionen von SPD und Grünen gibt es allerdings zu einigen Punkten noch Gesprächsbereitschaft. 

Im Juni bereits soll das Gesetz in Kraft treten. Da bleibt nicht viel Zeit. Rips: „Lieber keine Reform als diese.“



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