Nr. 35


Die Geister organisieren sich

Internationales Treffen der 
städtischen Sozialbewegungen

Glaubt Ihr an Geister?“, will Cesare Ottolini, Europa-Präsident der Habitat International Coalition (HIC) von den 300 internationalen Delegierten im Hof der juristischen Fakultät in Mexiko-City wissen. Gegenüber, am Präsidentenpalast, patroulliert das Militär. Um die Ecke, auf dem zentralen Stadtplatz Zocalo demonstrieren Bewohnergruppen für eine Verbesserung der Slums. „Ich glaube an Geister. Auf dieser Konferenz sind ihre Stimmen, die Stimmen derjenigen, die für die neoliberalen Stadtpolitik nicht existieren, laut zu hören gewesen.“
Die Stimmen der StadtbewohnerInnen der Welt hörbar machen. Eine neue Allianz aufbauen für soziale, gesunde, demokratische, sichere Städte. Das waren Ziele der „Weltversammlung der Stadtbewohner“, die vom 2. bis 6. Oktober in Mexiko-City stattfand. Es war das erste große internationale Treffen der Basisorganisationen im Wohnbereich seit der UN-Weltsiedlungskonferenz Habitat II in Istanbul. 

Damals, 1996, hatten sich die Staaten der Welt zur Umsetzung der Vision einer sozialen, umweltgerechten und partizipativ verwalteten Stadt verpflichtet, einer Stadt, in der das Recht auf Wohnen für alle verwirklicht ist, die ihre Probleme durch die partnerschaftliche Zusammenarbeit aller gesellschaftlichen Kräfte löst, namentlich auch der Basisorganisationen der BewohnerInnen selbst. 

Vier Jahre nach diesen Worten kann von einer Umsetzung jedoch kaum die Rede sein. „Die städtische Armut besteht weiter und die Umwelt hat sich seit 1996 nicht verbessert“, stellt auch das offizielle Vorbereitungskomitee für die Habitat-Folgekonferenz im Juni fest und konstatiert einen unzureichenden “politischen Willen zur Umsetzung.“
Nicht ohne Grund wollten sich die Delegierten von über 140 lokalen Basisgruppen aus insgesamt 34 Nationen in Mexiko deshalb auf die eigenen Kräfte besinnen. In mehreren Workshops wurden Erfahrungen ausgetauscht, wurde nach gemeinsamen Zielen und Strategien gesucht. 

Vergleichbar sind etwa die Erfahrungen von lateinamerikanischen und afrikanischen Gruppen mit der Unfähigkeit staatlicher Instanzen bei der Verwaltung von Geldern. Hier wie dort fordern Bewohnerbewegungen, dezentrale partizipative Budgets, die - Beispiel gibt es etwa in Brasilien - von den Bewohnern der Stadtteile selbst verwaltet werden.
Auf Druck der Weltbank (oder der EU) wurden und werden überall auf der Welt öffentliche Dienste (Telekommunikation, Verkehr, Energie, Wasser...) privatisiert, was häufig - etwa in Peru oder Brasilien - bedeutet, dass frühere Staatsmonopole durch das Monopol internationaler Konzerne ersetzt wird. Im Unterschied zu den Staatsmonopolen lassen sich diese Unternehmen durch Proteste nicht unter Druck setzen. 

Ein Grundgedanke der in Mexiko diskutierten Gegenstrategie ist der Aufbau strategischer Bündnisse zwischen „engagierten“ Stadtverwaltungen, NGOs und lokalen Bewohnerorganisationen.
Die europäischen Delegierten staunten vor über den Aktivismus der Basisbewegungen in Mexiko. Sie besetzen Land, erkämpfen staatliche Kredite für den Wohnungsbau und organisieren das Gesundheits- und Schulwesen.




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(c) MieterInnenverein Witten 1/2001.  Knut Unger