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Wittener Agenda 21

Forum für nachhaltige
Stadtentwicklung
in der Wittener Agenda 21

Projektvorschlag

Konzept Nachhaltige Flächennutzungsplanung

Erarbeitung von Strategien zur Begrenzung des Siedlungsflächenwachstums und zur Sicherung städtebaulicher Entwicklungsreserven

Dem Stadtbaurat vorgelegt im Herbst 1998.
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Ausgangssituation:

Seit 1975 steigerte sich der Flächenverbrauch für Bauten, Verkehr und andere nichtlandwirtschaftliche Nutzungen von ca. 2400 Hektar auf 3000 Hektar. Würde die jährliche Verbrauchsrate von 27,5 ha unvermindert fortgesetzt, dann würde in 30 Jahren mehr als die Hälfte der Wittener Fläche bebaut sein.  (1)

Der Flächenverbrauch ist weder aus einer Zunahme der Bevölkerung, noch der Arbeitsplätze zu erklären. Vielmehr verbrauchen die BewohnerInnen Wittens - und hier besonders stark die Besserverdienenden und die Eigentümer - immer mehr Wohn- und Grundstücksflächen. (2) Außerdem werden brachgefallene Industrieflächen nicht wieder genutzt und in neuen Gewerbegebieten arbeiten pro Fläche weniger Menschen. Schließlich verbraucht auch der Verkehr immer mehr Flächen (3) , dies vor allem dort, wo neue Wohn- oder Gewerbegebiete außerhalb der bestehenden Siedlungen erschlossen werden.

Bereits 1996 waren 34,3 % des Stadtgebietes der Stadt Witten versiegelt. Die Versiegelung beeinträchtigt den Naturhaushalt in vielfältiger Weise. Besonders betroffen ist der Wasserhaushalt. Dies führte und führt nicht nur zu ökologischen Problemen, sondern auch zu gewaltigen Mehrkosten für die Wasserentsorgung und den Kanalbau, die auf alle VerbraucherInnen umgelegt werden und die Wohnkosten in die Höhe treiben.

Seit 1975 ist die landwirtschaftlich genutzte Fläche in Witten von 3151 ha auf 2450 ha zurückgegangen. Diese Entwicklung gefährdet langfristig die Ernährungsgrundlagen.

Durch die Bebauungen der letzten Jahrzehnte sind viele auch ökologisch wertvolle Bereiche des Stadtgebietes unwiederbringlich verloren gegangen. Das Landschaftsbild wurde stark beeinträchtigt, oft ist die Grenze zwischen Siedlungsraum und Freiraum nicht mehr zu erkennen. Die Bebauungen haben die Lebensbereiche von Pflanzen und Tieren empfindlich eingeschränkt, das Stadtklima beeinträchtigt und Erholungsflächen reduziert.

Der zusätzliche Flächenverbrauch zeigt sich in Witten an vielen Stellen in Zersiedlung mit Eigentumsobjekten, die keine urbane Strukturen ausbilden. Die Stadtrandviertel (Beispiel: Bommern) sind wesentlich geringer sozial durchmischt als Innenstadtgebiete.

Die Zersiedlung erhöht das Verkehrsaufkommen im MIV und erschwert einen effizienten ÖPNV.

Während der Mietgeschoßwohnungsbau inzwischen stark zurückgeht, hält die Nachfrage nach Eigenheimflächen an. Die Nachfrage ist zu einem wesentlichen Teil nicht örtlich bestimmt, sondern stammt aus anliegenden Großstädten. Die weitere Ausweisung von Wohnbauflächen dient damit im Wesentlichen nicht der Befriedigung einer lokalen Nachfrage.

Witten besitzt enorme innerstädtische Reserveflächen, vor allem auf altindustriellen Standorten, die jedoch nur unzureichend genutzt werden.

Die Flächennutzungsplanung bietet keine ausreichende Methode zur dauerhaften Begrenzung des Siedlungsflächenwachstums. Die Abstimmung der Instrumente einer nachhaltigen Stadtentwicklungsplanung ist in Witten nur schlecht ausgeprägt. Eine eigenständige Stadtentwicklungsplanung wurde Ende der 70er Jahre eingestellt.

Klassische Baulücken sind in den letzten Jahren in hohem Ausmaß geschlossen worden, so daß der zukünftige Baubedarf kaum noch auf diese Weise gedeckt werden kann. Eine starre Begrenzung der Siedlungsfläche auf dem heutigen Stand würde der Stadt zu wenig zukünftige Entwicklungsmöglichkeiten belassen. Die planungsrechtliche Ausweisung zusätzlicher Bauflächen - etwa auch Brachflächen - führt schnell dazu, daß die Flächen nicht effizient genutzt und nicht für den vordringlichen Bedarf bebaut werden, so daß nach einer Übergangsperiode neue Bedarfe nach einer Erweiterung der Siedlungsflächen entstehen. Dieser Problematik kann nur begegnet werden, wenn es, über die planungsrechtliche Sicherung einer äußeren Siedlungsgrenze hinaus, gelingt, innerhalb des potentiellen Siedlungsraums Reserven für unterschiedliche Zeithorizonte zu sichern und diese Reserven nur für vordringlichen Bedarf und bei effizienter Flächennutzung zu aktivieren.

Eine starrer Wachstumsstopp in Bezug auf die Siedlungsfläche könnte bewirken, daß Bauwillige abwandern oder/und daß Besserverdienende in stärkerem Maße Wohnungsbestände nachfragen, was zu Umwandlungen in Eigentumswohnungen und zu Verdrängungen finanziell weniger gut Gestellter führen kann. Eine Politik der Wachstumsbegrenzung muß sich dieser Problematik frühzeitig stellen und ihre Flächennutzungspolitik u.a. mit wohnungspolitischen Instrumenten abstimmen.

Witten weist einen relativ hohen Anteil an Grün- und Freiflächen innerhalb und außerhalb der Siedlungsgrenzen auf und besitzt im Innenbereich erhebliche Potentiale zur weiteren Aufwertung der stadtökologischen Situation. Diese Flächen sind jedoch häufig schlecht vernetzt oder erschlossen. Sie sind teilweise (Abstandsflächen!) von geringer ökologischer und sozialer Qualität und sind in vielfältiger Weise Nutzungsansprüchen für Bau- und Verkehrsvorhaben ausgesetzt. Eine gesamtstädtischen Entwicklungsplanung für die Grünflächen existiert nicht, obwohl es in einigen Bereichen sehr vielversprechende Ansätze und Erfahrungen gibt. Selbst zentrale Grünflächen sind planungsrechtlich nicht gesichert.

Ziele:

Es sollen Strategien erarbeitet, vereinbart und beschlossen werden, die mit Hilfe des kommunalen und regionalplanerischen Instrumentariums die Siedlungsentwicklung im Sinne der Nachhaltigkeitsziele beeinflussen. Dabei soll vorrangig versucht werden, den Siedlungsrand scharf abzugrenzen, den weiteren Siedlungsflächenbedarf durch eine verdichtete Bebauung in den Kern- und Randzonen zu decken. Es soll eine langfristige Flächnutzungsplanung erfolgen, mit dem Ziel, ausreichende Reserven innerhalb der ökologisch definierten Grenzen zu sichern.

Bei der Innenentwicklung sollen ebenfalls ökologische und soziale Belange berücksichtigt werden. Die Grünflächen innerhalb der Stadt sollen ökologisch aufgewertet, vernetzt und an den Außenbereich angebunden werden. Abstandsgrünflächen in Wohngebieten sollen durch die Bewohner nutzbarer gemacht (z. Bsp. Mietergärten). Die Erholungsräume im Außenbereich der Stadt sollen umwelt- und sozialverträglich erschlossen werden.

Die Strategien sollen u.a. umfassen: eine kommunale Flächenhaushaltspolitik; ein regional abgestimmtes Gewerbe- und Wohnflächenmanagement; eine umfassende Konzeption zur nachhaltigen Innenentwicklung i. bes auf Industriebrachen; Maßnahmen zur Beeinflussung der Flächennachfrage; Maßnahmen zur Förderung des flächensparenden Bauens einschl. mehrgeschossiger Gewerbebau, eine gesamtstädtische Freiraumplanung einschließlich planungsrechtlicher Sicherung von Grünflächen im Innenbereich .. Die Strategien sollen zentraler Bestandteil einer für Witten neu zu debattierenden Stadtentwicklungsplanung werden.

Vorgehen:

Im Gespräch mit der Stadtverwaltung, den Ratsfraktionen und eventuell weiteren Akteuren soll ein Verfahren zur schrittweisen Erarbeitung des Konzepts entwickelt werden. Die Einleitung dieses Verfahrens soll vom Rat beschlossen werden.

Im Rahmen des Verfahrens müssen zunächst die Ursachen und Faktoren, sowie die Folgen und Wechselwirkungen der Zersiedlung in Witten analysiert werden, um auf dieser Grundlage Szenarien für eine wahrscheinliche Entwicklung der Flächennutzung und ihrer Folgen zu erarbeiten. In weiteren Schritten sollen verbindliche nachhaltige Leitbilder und Zielgrößen für die Flächennutzung in Witten, Hindernisse/Probleme auf dem Weg zur nachhaltigen Flächennutzung und schließlich Strategien und Maßnahmen erarbeitet werden.

Parallel sollen öffentlichen Debatten um die Begrenzung des Flächenverbrauchs und die Innenentwicklung angestoßen werden.

Umsetzungsmöglichkeiten:

Werkstattgespräche mit Verwaltung und Politik; Workshops; Arbeitsaufträge an die Stadtverwaltung; externe Gutachten; öffentliche Veranstaltungen; Anhörungen; Diplomarbeiten...

Nächste Schritte:

Auf der Grundlage dieses Papiers sollen Orientierungsgespräche mit der Stadtverwaltung erfolgen.

erarbeitet von Knut Unger und Udo Werner

 

[1] nach Stadt Witten, Amt für Statistik und Wahlen 1997, ausgewertet von Udo Werner in: „Diskussionspapier für die Arbeitsgruppe Nachhaltige Stadtentwicklung“, Manuskript 1998. Diesem Papier entstammen auch weitere Daten der folgenden Thesen, die im übrigen aber lediglich versuchen, Beobachtungen und Landestrends  zusammenzufassen. Ein lokaler quantitativer Beleg würde z. T.  einen erheblichen Aufwand erfordern und kann nur im Rahmen  zukünftiger Erarbeitungsschritte erfolgen.

[2] Der durchschnittliche Wohnflächenverbrauch pro Einwohner steigerte sich in Witten von 28,4 qm im Jahr 1980 auf 34,1 qm im Jahr 1994. Der Wohnflächenverbrauch ist aber auf Eigenheime und Geschoßwohnungsbau sehr ungleich verteilt und außerdem abhängig von der sozialen Situation und der Lage im Stadtgebiet: 1994 verbrauchte ein Bewohner im statistischen Bezirk „Industriegürtel West“ durchschnittlich 27,5 qm, in Steinhausen waren es 43,3 qm. Quellen: Stat. Jahrbuch der Stadt Witten 1995, Stadt Witten: Wohnungsbau und Bauland 1993

[3] Die Verkehrsflächen in Witten verbrauchten 1975 508 ha, 1996 waren es 585 ha. Werner a.a.o. 1998

 

Behandlung und Umsetzung durch die Stadt Witten:

Grundsätze konnten - nach erheblichen Verzögerungen -  mit dem Stadtbaurat im Jahre 1989 knapp erörtert werden. Bei der Zielsetzung gab es eine weitgehende Übereinstimmung. Diskussionsbedarf bestand in Hinblick auf die richtige Strategie. Weitere Gesprächangebote machte die Stadt nicht.

Im August 2000 beschlossen die städtischen Gremien auf Antrag der SPD die Erarbeitung eines Stadtentwicklungskonzeptes. Der Beschluss erwähnt auch die Agenda 21. Der von uns angesprochene Themen werden dort jedoch nicht systematisch aufgegriffen.

Die in diesem Papier aufgezeigte Zersiedlungsproblematik hat sich in den letzten Jahren - nicht nur in Witten - trotz Teilentspannung auf den Wohnungsmärkten weiter verschärft.

Die weitere Diskussion erfolgt im Forum Stadtentwicklung.

K. Unger


Forum Stadtentwicklung

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(c) MieterInnenverein Witten 9/2000.  Knut Unger